Bei Polyposis-Syndromen des Magen-Darm-Trakts Angehörige screenen
Verantwortlich für erbliche Polyposis-Syndrome sind Keimbahnmutationen, also genetische Veränderungen, die meist von einem Elternteil vererbt wurden und sich in allen Körperzellen des Anlagenträgers finden. Die Mutationen können aber auch bei dem Betroffenen oder in einer Keimzelle eines Elternteils de novo auftreten – dann ist die Familienanamnese meist unauffällig, schreiben Dr. Isabel Spier vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn und Kollegen.
Polyposis-Syndrome gelten als Präkanzerosen
Es gibt eine ganze Reihe von gastrointestinalen Polyposis-Syndromen. Sie sind alle als Präkanzerosen einzustufen, die für etwa 1 % aller kolorektalen Karzinome verantwortlich zeichnen. Nach dem Lynch-Syndrom stellen sie die häufigste Ursache für Darmkrebs dar.
Für die Diagnose der Polyposis-Syndrome ist die histologische Untersuchung der entfernten Polypen essenziell, zusammen mit einer sorgfältigen Familienanamnese und der Suche nach Manifestationen außerhalb des Darms (s. Kasten). Die Autoren betonen, dass eine ausreichende Zahl an Polypen untersucht werden muss. Denn es können verschiedene Polypenarten gleichzeitig vorliegen und es ist wichtig, denjenigen Polypentyp zu identifizieren, der dominiert.
Veränderungen, die auf das Vorliegen einer gastrointestinalen Polyposis hinweisen
- Osteome im Kieferbereich
- Desmoide
- periorale Pigmentierungen
- multiple Epidermoidzysten
- multiple (sub-)kutane Lipome
- Café-au-lait-Flecken
- Hepatoblastome
- Medulloblastome
- Morbus Osler
- kongenitale Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels (CHRPE)
Gastrointestinale Polyposis-Syndrome (Auswahl) | |||||
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Syndrom | Histologie Polypen | Polypenzahl | Lebenszeitrisiko kolorektales Karzinom | Häufigkeit | Weitere Symptome außerhalb des Kolons |
Klassische familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) | Adenome | 100 – >5000 | 100 % | 1:10 000 | Duodenaladenome/-karzinome, Osteome, Desmoide, Epidermoidzysten, Fibrome, Schilddrüsenkarzinom, Hepato- und/oder Medulloblastom, Nebennierenadenome u.a. |
Attenuierte familiäre adenomatöse Polyposis (AFAP) | Adenome | 10–100 | 70 % | < 1:10 000 | selten |
MUTYH-Gen-assoziierte Polyposis (MAP) | Adenome, ggf. hyperplastische Polypen | wenige bis Hunderte | 80% | 1:40 000 | Duodenaladenome/-karzinome, erhöhte Inzidenz extraintestinaler Malignome, Talgdrüsentumoren, Nebennierenadenome |
Peutz-Jeghers-Syndrom | Peutz-Jeghers-Polypen, ggf. Adenome | < 20 | 40 % | 1:150 000 | Dünndarm-, Magen-, Mamma-, Pankreaskarzinome, Ovarial- oder Hodentumoren, mukokutane/periorale Hyperpigmentierung |
Bei selteneren Syndromen individuell vorgehen
Bei der klassischen familiären adenomatösen Polyposis (FAP) ist eine rechtzeitige (möglichst kontinenzerhaltende) Operation erforderlich, um die Entstehung eines kolorektalen Karzinoms zu verhindern. Es gibt zwei OP-Varianten: Die Kolektomie mit ileorektaler Anastomose (IRA) und die Proktokolektomie mit ileopouchanaler Anastomose (IPAA). Letztere kann Karzinome erfolgreicher verhindern. Bei den selteneren Polyposis-Syndromen müssen Therapieentscheidungen individuell, symptomorientiert und entsprechend aktueller onkologischer Standards getroffen werden. Betroffene Familien sollte man an Zentren mit entsprechender Expertise verweisen.Quelle: Spier I et al. Internist 2021; 62: 133-144; DOI: 10.1007/s00108-020-00903-z