Herz-Kreislauf-Risiko Cholesterins Schwester heißt Polyethylen
Kunststoffmüll zerfällt in der Natur in Mikro- und Nanoplastik (MNP). Über kontaminierte Nahrung oder Luft gelangen diese Partikel auch in den menschlichen Körper, was ein ungeahntes Herz-Kreislauf-Risiko bergen könnte. In-vitro-Studien deuten unter anderem darauf hin, dass MNP oxidativen Stress und eine Inflammation des Endothels hervorruft. Tierversuche haben eine Verbindung mit Myokardfibrose und endothelialer Dysfunktion ergeben.
Verengte Halsschlagadern untersucht
Dr. Raffaele Marfella von der University of Campania „Luigi Vanvitelli“ in Neapel und Kollegen haben in einer prospektiven Studie untersucht, ob sich Plastikpartikel in Gefäßplaques ansammeln und welche Folgen das auf lange Sicht hat. Eingeschlossen wurden 304 Patienten, die wegen einer asymptomatischen Karotisstenose eine Endarterektomie erhielten.
In den entfernten Plaques ließ sich per Pyrolyse-Gaschromatografie mit Massenspektrometrie bei 58 % der Teilnehmer Polyethylen nachweisen, bei 12 % Polyvinylchlorid. Je höher der Gehalt an Polyethylen war, desto höher fiel die Expression verschiedener Entzündungsmarker (Interleukin-1β, TNF-α etc.) aus. Elektronenmikroskopisch konnte das Fremdmaterial in einer Stichprobe von zehn Patienten, deren Tests positiv für beide Kunstoffe ausfielen, bestätigt werden. Fast alle Partikel waren kleiner als 1 µm.
Kausaler Zusammenhang (noch) nicht belegt
Dass MNP-haltige Gefäßläsionen das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse signifikant erhöhen, zeigte die Langzeitbeobachtung. 257 Teilnehmer durchliefen das mittlere Follow-up von 34 Monaten. Von den Patienten mit Mikro- und Nanoplastik in den Ablagerungen erlitten 20 % einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder starben. Von denjenigen mit plastikfreien Plaques waren nur 7,5 % betroffen. Das entsprach einem 4,5-fach erhöhten Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis bzw. Tod.
Die Autoren merken an, dass die Ergebnisse keine Kausalität beweisen. Ihre Studie berücksichtigte nur MNP und keine Exposition gegenüber Feinstaubpartikeln. Auch wurden nicht alle potenziellen Störfaktoren wie der Lebensstil erfasst. Darüber hinaus untersuchten die Forscher eine Kohorte von Patienten mit asymptomatischer Karotisstenose, was die Generalisierbarkeit der Erkenntnisse einschränken könnte.
Quelle: Marfella R et al. N Engl J Med 2024; 390: 900-910; DOI: 10.1056/NEJMoa2309822