Cholesterinsenkung durch Statine im hohen Alter – kritisch hinterfragen?
Viele schwer kranke Bewohner von Senioreneinrichtungen in den USA nehmen Statine ein, obwohl die wissenschaftliche Evidenz für einen kardiovaskulären Nutzen dieser Medikamente im höheren Alter bislang fehlt. Es wird sogar vermutet, dass gerade gebrechliche Personen besonders stark unter den typischen myopathischen Nebenwirkungen der Wirkstoffgruppe leiden. Und möglicherweise beschleunigen Statine den körperlichen Verfall älterer Menschen.
Um das Ausmaß der Problematik genauer zu beleuchten, analysierten Deborah S. Mack von der University of Massachusetts in Worcester und weitere Forscherkollegen die Daten von 424 212 Langzeitbewohnern von US-Pflegeheimen. Alle Personen waren älter als 65 Jahre und wiesen – z.B. aufgrund von AIDS, eines Krebsleidens oder anderer schwerer Erkrankungen – eine ungünstige Prognose auf.
Im Schnitt standen 34 % der Pflegebedürftigen unter Statintherapie: 44 % der 65- bis 75-Jährigen und 31 % der über 75-Jährigen erhielten entsprechende Medikamente. Selbst bei einer Lebenserwartung von weniger als sechs Monaten betrugen die Verschreibungsraten in diesen Altersgruppen 23 % bzw. 12 %. Ethnische Minderheiten sowie Personen mit atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder kardiovaskulären Risikofaktoren erhielten überproportional häufig Statine. Gleiches galt für Bewohner, die zusätzlich mindestens fünf andere Medikamente einnahmen. Und das betraf immerhin mehr als 50 % der Heimbewohner.
Die hohe Statinprävalenz in Senioreneinrichtungen sollte Anlass dazu geben, die Verschreibungspraxis bei Menschen an ihrem Lebensende kritisch zu hinterfragen und entsprechende Empfehlungen zu formulieren, meinen die Wissenschaftler. Auch müsse man klären, welche Folgen ein Absetzen der Cholesterinsenker für die Pflegebedürftigen hat.
Quelle: Mack DS et al. J Am Geriatr Soc 2020; 68: 708-716; DOI: 10.1111/jgs.16336t