Opioidinduzierter Obstipation mit Polyethylenglycol vorbeugen
Unter der Opioidtherapie von Tumorschmerzen beträgt die Häufigkeit der opioidinduzierten Obstipation 74-87 %. Aber auch bei chronischen Beschwerden anderer Natur kann die Rate auf rund 80 % klettern, schreiben Privatdozent Dr. Michael A. Überall vom Regionalen Schmerzzentrum Nürnberg und sein Kollege. Eine opioidinduzierte Obstipation als Komorbidität schränkt nicht nur die Lebensqualität der Patienten stark ein und bringt jeden dritten dazu, die Dosis eigenständig zu reduzieren, sondern kann auch die Medikamenten-Absorption senken.
Es muss unterschieden werden, ob bereits eine Darmfunktionsstörung vorhanden war, die sich durch Opioide verschlechtert hat (opioidexazerbierte Verstopfung) oder ob die Verstopfung durch die Medikamente verursacht wurde. Generell hängt das Risiko von der Dauer, Dosis und Regelmäßigkeit der Einnahme ab, außerdem sind Frauen und ältere Menschen besonders gefährdet. Auch das Opioid selbst spielt eine Rolle, so bergen transdermale Systeme mit Buprenorphin weniger Gefahr als oral applizierte. Unter den verfügbaren oralen hochpotenten Analgetika (WHO-Stufe 3) hat wiederum Tapentadol das geringste Risiko, schreiben die Experten. Auch die Fix-Kombi von retardiertem Oxycodon mit dem Opioid-Antagonisten Naxolon konnte Häufigkeit sowie Ausmaß der Obstipation reduzieren und bei Neueinstellungen oder Opioidwechsel die Zahl vorzeitiger Behandlungsabbrüche mindern.
Diagnose oft schwierig
- < 3 spontane Stühle pro Woche und/oder
- bei mehr als einem Viertel der Defäkationen:
- pressen
- klumpiger/harter Stuhl
- Gefühl einer inkompletten Entleerung
- Notwendigkeit manueller Manöver
- Blähungen, Völlegefühl, Bauchschmerzen, Koliken
- abdominelles Missempfinden
- Durchfall (im Wechsel mit Verstopfung)
- Sodbrennen, saures Aufstoßen, Übelkeit, Erbrechen
Jedem Therapieversuch etwa 1–2 Wochen einräumen
Die Standard-Therapie der diagnostizierten opioidinduzierten Obstipation startet mit Laxanzien wie Polyethylenglycol, Bisacodyl, Natriumpicosulfat oder Senna. Zwar sollte man sich bewusst sein, dass mit ihnen der Behandlungserfolg vielfach überschaubar bleibt, aber die Experten sehen keinen Grund, es nicht zu versuchen. Aufgrund der Überlegenheit gegenüber Placebo in einigen Studien raten sie, Polyethylenglycol gleich zu Beginn der Opioid-Therapie begleitend zu verschreiben, damit sich die Obstipation gar nicht erst manifestiert. Die Entscheidung über Dosis und Häufigkeit der Anwendung orientiert sich am Patienten, ebenso die Darreichungsform und Geschmack. Generell sollten Sie jedem Therapieversuch ca. 1–2 Wochen einräumen. Bessern sich die Symptome nicht, kann ein Wirkstoffwechsel probiert werden, bevor auf periphere µ-Opioidrezeptorantagonisten eskaliert wird. Mittel erster Wahl ist dabei orales Naloxegol. Formal sollten vor seinem Einsatz mindestens zwei konventionelle Abführmittel versagt haben. Allerdings betonen die Experten, dass es gerade aus Patientensicht oft nicht zielführend ist, so lange zu warten, und man sollte die Gabe durchaus schon früher, allerdings off label, erwägen. Bei weiter ausbleibender Wirkung steht Methylnaltrexon s.c. zur Verfügung. Beide können sowohl mit jedem Opioid als auch mit den gängigen Laxanzien kombiniert werden.Quelle: Überall MA, Bialas P. Schmerzmedizin 2019; 35: 34-41