Kopftrauma im Sport Commotio erfordert initiale Ruhephase und langsamen Wiedereinstieg ins Training

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Nach einer heftigen Kopfkollision müssen Profis wie Amateure auf sportliches Kräftemessen eine Zeit lang verzichten. Nach einer heftigen Kopfkollision müssen Profis wie Amateure auf sportliches Kräftemessen eine Zeit lang verzichten. © andresr/gettyimages

Ein häufiges Bild in Deutschlands Fußballstadien: Zwei Spieler prallen mit den Köpfen heftig aneinander. Die Mannschaftsärzte eilen herbei, versorgen ggf. Platzwunden und führen vielleicht noch einen neurologischen Schnellcheck durch. Von Auswechseln ist meistens keine Rede. Bei einer (potenziellen) Commotio sollte man allerdings anders vorgehen.

Schon beim Verdacht auf eine Gehirnerschütterung muss die sportliche Aktivität sofort beendet werden, fordern Dr. ­Michael ­McLarnon vom Belfast Health and Social Care Trust und Dr. Neil Heron aus der Queen’s University in Belfast. Denn im Fall einer erneuten Commotio vor der vollständigen Erholung droht dem Betroffenen ein potenziell letales Second-Impact-Syndrom mit Hirnödem

Passagere Bewusstlosigkeit in jedem zehnten Fall

Eine Gehirnerschütterung beim Sport wird überwiegend durch einen direkten Schlag auf Kopf, Hals oder Nacken ausgelöst, auch eine Fortleitung der Kraft aus anderen Körperregionen ist möglich. Die meisten Patienten entwickeln eine transiente neurologische Dysfunktion, strukturelle Hirnveränderungen lassen dagegen sich nicht nachweisen. Zu den typischen Beschwerden zählen Kopfschmerzen, Übelkeit und Konzentrationsstörungen, aber auch Schwindel, Erbrechen und Schlafprobleme können auf eine Commotio hinweisen. In etwa 10 % der Fälle kommt es zu einer passageren Bewusstlosigkeit. Die meisten Patienten erholen sich innerhalb von vier Wochen. Bei Warnsignalen wie fokalen Defiziten, Amnesie und Erbrechen (s. Kasten) ist eine umgehende stationäre Einweisung erforderlich. 

Indikationen für die Einweisung in eine Klinik

  • Glasgow Corna Scale Score < 15

  • Bewusstseinsverlust

  • fokale Defizite

  • Schädelfraktur oder penetrierende Verletzung

  • schwere Nackenschmerzen

  • Amnesie

  • persistierende Kopfschmerzen seit dem Unfall

  • Erbrechen

  • Krampfanfälle

  • vorangegangene Hirnoperation

  • schweres Trauma

  • Blutungs- oder Gerinnungsstörung

  • Therapie mit Antikoagulanzien bzw. Plättchenhemmern (außer ASS)

  • Intoxikation (Alkohol, Drogen)

  • Bedenken, was die häusliche Überwachung angeht

  • Zweifel an der Diagnose

Man muss über die möglichen Gefahren einer Commotio aufklären, fordern die beiden britischen Kollegen. Betroffene sollten in den ersten 24 bis 48 Stunden nicht alleingelassen werden. Die Angehörigen müssen die Red Flags kennen und den Kranken ggf. in die Notaufnahme bringen. Bis zur Symptomfreiheit darf der Patient weder Auto fahren noch Maschinen bedienen oder Alkohol trinken.

Die Rehabilitation beginnt mit einer aktiven Ruhephase. Diese lindert nachweislich die trauma­bedingten Beschwerden. In den ersten ein bis zwei Tagen bleibt der Patient am besten zu Hause und verzichtet auf körperliche Aktivitäten. Auch schwere Geistesarbeit (z.B. > 1 h am Computer) ist zunächst tabu. Danach sind anfangs nur leichte Tätigkeiten wie Walking erlaubt. Zudem raten die Autoren, auch die Gemütslage im Auge zu behalten. Einer Metaanalyse zufolge ist das relative Risiko für Depression und Suizid nach einer Commotio deutlich erhöht (Hazard Ratio, HR, 2,0). 

Nach der Ruhepause sollten die Patienten zunächst ihre Alltags­aktivitäten (Arbeit, Schule) langsam wieder aufnehmen, sofern diese die Symptome nicht (relevant) verschlimmern. Falls es doch zu einer Exazerbation kommt, empfehlen die Verfasser, sich zunächst auf das bisher vertragene Level zu beschränken, bevor eine erneute Steigerung probiert wird. Die meisten Menschen mit Commotio werden in den ersten zehn Tagen wieder arbeitsfähig

Auch die Wiederaufnahme von Sport erfolgt schrittweise. Sie beginnt, wenn die initiale Erholungspause beendet und die Rückkehr in Schule oder Beruf geschafft ist. Außerdem muss der Patient ohne Kopfschmerzmittel und Schlaftabletten auskommen, denn diese könnten die Symptome der Gehirnerschütterung verschleiern. Die Therapieempfehlungen sind für Amateure und Profis quasi gleich. Die Trainingspläne werden individuell zusammengestellt in Abhängigkeit von der Sportart und den erzielten 
Fortschritten. 

Anfangs sind nur leichte Aktivitäten erlaubt, also z.B. kurze Spaziergänge mit einer Herzfrequenz unter 70 % des Maximums (220 minus Lebensalter). Im nächsten Schritt folgt eine leichte bis mittelschwere Belas­tung auf dem Standfahrrad oder Joggen über kurze Strecken (z.B. 1–2 km). Die Herzfrequenz darf 80 % des Maximalwerts nicht überschreiten. 

Mit Kontaktsportarten mindestens 21 Tage warten

In der folgenden Phase ist ein sportartspezifisches Training wieder möglich, jedoch ohne direk­ten Körperkontakt. Letzterer wird erst erlaubt, wenn der Patient mindestens 14 Tage symptomfrei ist. Frühes­tens 21 Tage nach der Commotio ist mit einer Rückkehr zum Wettkampfsport zu rechnen. 

Halten die Symptome länger als 28 Tage an, ist eine Überweisung zum Spezialisten indiziert. Dies erfolgt in etwa einem Fünftel der Fälle. Als Risikofaktoren für das Post-Commotio-Syndrom gelten z. B. junges Alter (≤ 18 Jahre) und weibliches Geschlecht, aber auch mehr als eine Gehirnerschütterung in den vorangegangenen zwölf Monaten und ein ungewöhnliches Symptombild (z.B. dominierende Gleichgewichtsstörungen). Besonders gefährdet sind auch Kinder mit ADHS oder mentalen Einschränkungen.

Zur Prophylaxe der Commotio eignen sich Kräftigungsübungen für die Nackenmuskulatur und ein Mundschutz bei Kontaktsportarten. Für das Tragen eines Kopfschutzes, etwa eines Helmes, konnte bisher keine protektive Wirkung gezeigt werden. 

Quelle: McLarnon M, Heron N. BMJ 2023; 382: e073161; DOI: 10.1136/bmj-2022-073161