Das Auge riecht mit: Olfaktorisches Training wirkt auf visuellen Kortex
Virale Infekte der oberen Atemwege sind eine häufige Ursache von Geruchsstörungen bis hin zum kompletten Geruchsverlust. Durch ein olfaktorisches Training lassen sich solche Geruchsverluste oft deutlich bessern oder sogar vollständig zurückbilden.
Forscher von der Washington University School of Medicine in St. Louis wollten wissen, wie genau dieser Trainingseffekt zustande kommt. Sie führten deshalb eine prospektive Studie an 16 Patienten durch, die nach einem Virusinfekt an im Median seit zwölf Monaten anhaltenden Geruchsstörungen litten. Das Riechvermögen wurde zu Beginn der Studie mit standardisierten Tests bestimmt. Anschließend führten die Probanden ein zwölfwöchiges Riechtraining durch, bei dem vier verschiedene Öle (Rose, Eukalyptus, Zitrone, Nelke) zum Einsatz kamen.
Vor dem Riechtraining und danach wurde eine funktionelle MRT im Ruhezustand durchgeführt, um Veränderungen im Gehirn aufzuspüren.
Erhöhte Konnektivität und mehr Synapsen
Das Ergebnis der Messungen war überraschend: Zu Beginn der Studie fiel bei den Testpersonen mit Riechstörungen eine – im Vergleich zu 20 Kontrollpersonen – erhöhte Konnektivität im Bereich des visuellen Kortex auf. Nach Abschluss des nachweislich erfolgreichen olfaktorischen Trainings hatte sich die Konnektivität in der Sehrinde reduziert. Parallel kam es zu einer Zunahme synaptischer Verschaltungen in für den Geruchssinn bekanntermaßen relevanten Hirnregionen. Wie diese Befunde zu deuten sind, ist unklar. Die Autoren vermuten, dass es sich bei der vermehrten Vernetzung innerhalb des visuellen Kortex um einen adaptiven Vorgang handeln könnte, der darauf abzielt, Funktionsverluste eines Sinnesorgans durch die gesteigerte Aktivität eines anderen zu kompensieren.
Quelle: Jiramongkolchai P et al. Otolaryngol Head Neck Surg 2021; DOI: 10.1001/jamaoto.2021.0086