Anosmie Den Geruchssinn wiederherstellen
Etwa 20 % der Allgemeinbevölkerung haben eine Riechminderung, bei etwa 5 % liegt eine Anosmie vor. Wer Gerüche kaum oder gar nicht mehr wahrnimmt, fühlt sich oft in seiner Lebensqualität stark beschnitten, viele Betroffene werden depressiv, so Dr. Patrick Dörig von der Universitäts-HNO-Klinik Basel und Kollegen. Die meisten Patienten wünschen sich eine rasche und komplette Wiederherstellung ihres Riechvermögens.
Um den Betroffenen zu helfen, wurden und werden sehr unterschiedliche Verfahren angewandt. Die Palette reicht vom Riechtraining über Akupunktur und verschiedenen medikamentösen Ansätzen bis hin zur transkraniellen Magnetstimulation. Handelt es sich um ausgeprägte qualitative Riechstörungen, wird unter Umständen die Riechschleimhaut operativ entfernt. Letztlich sind die Therapieerfolge trotz aller Bemühungen aber bisher eher bescheiden. Daher arbeiten Wissenschaftler derzeit an völlig neuen Optionen, um Patienten mit eingeschränktem oder verloren gegangenem Geruchssinn wieder zu einem Dufterlebnis zu verhelfen. Zukunftsträchtig erscheinen die elektrische Stimulation am olfaktorischen System, die Stammzelltherapie und die Transplantation von Riechschleimhaut.
Ursachen von Riechstörungen
- fortgeschrittenes Alter
- Infekte
- chronische sinunasale Erkrankungen
- neurodegenerative Erkrankungen
- Schädel-Hirn-Trauma
Das olfaktorische System mit Elektroden stimulieren
Die elektrische Stimulation von Sinnesorganen bzw. -nerven kann zu Empfindungen führen, die für die Betroffenen bei der Orientierung im Alltag eine große Hilfe sind. Als Beispiele seien Indikationen wie hochgradige Schwerhörigheit oder Blindheit aufgrund von degenerativen Netzhauterkrankungen genannt. Was in diesen Fällen durch Cochlea- bzw. Retinaimplantate erreicht werden kann, bietet zukünftig – übertragen auf die Nase – möglicherweise auch für Patienten mit Riechstörungen eine Perspektive. Neben Untersuchungen an Tiermodellen existieren zu diesem Ansatz mittlerweile auch Studien mit Probanden. Über Elektroden wurden dabei verschiedene Bereiche des olfaktorischen Systems stimuliert, z.B. Riechschleimhaut, Bulbus olfactorius, Kortex oder andere Hirnareale. Die Autoren sehen durchaus Potenzial für die „bioelektrische Nase“: Insbesondere die elektrische Stimulation des Bulbus olfactorius stelle möglicherweise eine Therapieoption bei Anosmie dar, wenn – z.B. aufgrund irreversibler Schäden der olfaktorischen Rezeptorneurone – Geruchsinformationen nicht mehr an den Bulbus weitergeleitet werden können. Allerdings dürfte es durchaus anspruchsvoll sein, ein Implantat zu entwickeln, das eine Vielzahl von Gerüchen unterscheiden und duftspezifische elektrische Signale weiterleiten kann. Hinzu kommt, dass die bisher am Menschen durchgeführten elektrischen Stimulationen teilweise operative Eingriffe erforderten und mit entsprechenden Risiken verbunden waren.Anosmie im Rahmen von COVID-19
Quelle: Dörig P et al. HNO 2021; 69: 623-632; DOI: 10.1007/s00106-021-01060-x