Mikrobiom Das intestinale Ökosystem ist so individuell wie ein Fingerabdruck
Das menschliche Darmmikrobiom besteht aus einer vielfältigen Ansammlung von Bakterien, Pilzen und Viren. Zahlreiche Aufgaben dieses Ökosystems sind heute bekannt, darunter die Verdauung komplexer Kohlenhydrate und die Regulation des Immunsystems. Darüber hinaus werden von den Mikroben eine Reihe bioaktiver Verbindungen produziert, die wichtig für die Darmgesundheit und die Integrität der Darmbarriere sind, schreibt ein Autorenteam um Dr. Matthias Van Hul von der Université catholique de Louvain, Brüssel.
Zahlreiche Umweltfaktoren beeinflussen die Zusammenssetzung des Mikrobioms, darunter die Ernährung und die Einnahme von Antibiotika, aber auch der Magen-pH-Wert und die Sauerstoffversorgung. Im Alter von drei bis vier Jahren hat jeder Mensch sein eigenes Mikrobiom entwickelt, das so individuell ist wie ein Fingerabdruck. Nach kurzzeitigen Störeinflüssen, etwa einer Antibiose, kehrt das Mikrobiom relativ schnell wieder zu seiner ursprünglichen Zusammensetzung zurück. Anhaltende Faktoren wie eine ungesunde Ernährung, Umweltverschmutzung oder häufige Antibiotikaeinnahme können es aber auch dauerhaft zum Negativen verändern.
Was macht nun ein gesundes intestinales Mikrobiom aus? Wichtig scheint die Diversität zu sein, also eine hohe Zahl unterschiedlicher Spezies. Eine reduzierte Vielfalt ist mit zahlreichen Erkrankungen wie Reizdarm, Adipositas, Typ-2-Diabetes, KHK und verschiedenen Krebsformen assoziiert. Eine hohe Diversität hat allerdings auch Schattenseiten, etwa eine verlängerte Kolontransitzeit. Zudem variiert der positive Effekt von Diversität je nach genetischer Ausstattung, Umwelt und Lebensstil. Diese erhebliche individuelle Variabilität mache es schwer, einen Standard für das gesunde Mikrobiom festzulegen oder universell geeignete Interventionen zu finden, erklären die Forschenden.
Intensiv wird nach positiven und negativen Einflüssen einzelner Mikrobenarten gesucht, was aber durch die Individualität und Komplexität des Mikrobioms limitiert ist. Ein erhöhtes Firmicutes/Bacteroidetes-Verhältnis wurde mit Adipositas, metabolischen Störungen, Reizdarmsyndrom und anderen Darmerkrankungen in Zusammenhang gebracht. Ein hoher Anteil von Bifidobacter und Lactobacillus scheint dagegen mit einer guten Darmfunktion assoziiert zu sein.
Präbiotika fördern das Wachstum gesunder Bakterien
Eine ballaststoffreiche Ernährung fördert die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren durch das Mikrobiom, was positive Effekte auf die Insulinsensitivität und das Körpergewicht hat. Butyrat z. B. unterstützt die Gesundheit des Darmepithels und spielt eine Schlüsselrolle bei der Prävention entzündlicher Darmerkrankungen. Präbiotika wie Inulin und Oligosaccharide unterstützen offenbar das Wachstum gesunder Bakterien.
Ein hoher Konsum von raffiniertem Zucker und Süßstoffen könnte die mikrobielle Vielfalt im Darm dagegen verringern. Auch Emulgatoren können das Darmmikrobiom negativ beeinflussen. Sie werden häufig in industriell verarbeiteten Lebensmitteln verwendet, um die Textur und Haltbarkeit zu verbessern. Diskutiert im Hinblick auf Stoffwechselstörungen werden etwa Carboxymethylcellulose (E466) und Polysorbat 80 (E433).
Statt einzelne Bakterienarten zu untersuchen, könnte es künftig sinnvoller sein, die Funktionalität des Mikrobioms als Ganzes zu beurteilen, etwa durch metagenomische Analysen. Eine andere Möglichkeit ist die Bestimmung einzelner Metaboliten, die sich als Ausdruck einer guten Darmgesundheit deuten lassen. Beide Methoden sind aber vergleichsweise aufwendig. Relativ leicht ermitteln lässt sich die Zusammensetzung der Darmgase – dafür reicht ein nicht-invasiver Atemtest. Die Aussagekraft ist allerdings limitiert.
Ziel ist es, die Behandlung zu personalisieren
Es wird noch viel Forschungsarbeit nötig sein, um die Funktion des Mikrobioms und das Zusammenspiel mit anderen Organen in Gänze zu verstehen. Ziel müsse es sein, Ernährungsinterventionen oder probiotische Behandlung personalisieren zu können, um Gesundheitsprobleme gezielt anzugehen, so das Autorenteam.
Quelle: Van Hul M et al. Gut 2024; 73: 1893–1908; doi: 10.1136/gutjnl-2024-333378