Depressionen beeinflussen Trockenheit im Auge
Wir weinen, wenn wir traurig sind, und manchmal auch vor Freude. Weht uns der Wind ein Sandkorn ins Auge, fließen unwillkürlich die Tränen. Und gegen Keime enthalten sie sogar noch Abwehrstoffe. Tränen erfüllen vielfältige Aufgaben, ihre Produktion folgt einem komplexen neuronalen und humoralen Zusammenspiel. Es sorgt dafür, dass je nach Anlass nicht nur die gebildete Menge an Flüssigkeit stimmt, sondern auch ihre Zusammensetzung.
Seelische Belastung wirkt auf das autonome System
Beim trockenen Auge verändert sich der Tränenfilm so, dass die Immunantwort gestört wird und sich das Auge entzündet. Die Ursache muss nicht rein organisch sein. Wenn Emotionen Tränen auslösen können – warum dann nicht auch das Gegenteil? Professor Dr. Carl Erb, Ophthalmologe an der Augenklinik am Wittenbergplatz in Berlin, hält das für plausibel. Schließlich stören seelische Belastungen die autonome Kontrolle. Außerdem hat er, wie auch einige andere Wissenschaftler, selbst beobachtet, dass Patienten mit trockenem Auge unklarer Genese häufig psychosomatisch beeinträchtigt und emotional instabil sind. In Studien konnte außerdem gezeigt werden, dass die Betroffenen vermehrt zu Depressionen neigen.
Die Frage ist, ob das trockene Auge dabei Auslöser oder Folge ist. Zwar sei der Kreis aus immunologischer Störung, neuronaler Beeinträchtigung und psychischer Auffälligkeit in sich geschlossen und könne demnach an jeder Stelle mit demselben Effekt beeinflusst werden, so der Experte. Trotzdem sei es für Augenärzte wichtig zu wissen, ob psychischer Stress ein Trockenes Auge auslöst. Allen voran, um eine wirkungsvolle Therapie einleiten zu können.
Diagnose mit dem TRIPS-Fragebogen
Tatsächlich fanden Forscher bei Klinikmitarbeitern mit hohem psychischem Stress eine signifikante Häufung des Augenproblems. Auch für eine Dysfunktion der limbisch-kortikalen Schaltkreise und damit eine Störung im Zentrum der emotionalen Verarbeitung gibt es laut Prof. Erb Hinweise.
Andererseits weiß man aus Tierversuchen, dass eine lokale korneale Entzündung eine augenbezogene Aktivität im Hirnstamm auslösen und ein trockenes Auge mit einer zerebralen Neuroinflammation einhergehen kann, durch die eine psychische Reaktion möglich wäre.
Egal, ob direkter oder indirekter Effekt: Die Psyche sollte man nach Ansicht des Berliner Fachmanns gleichberechtigt in die therapeutischen Überlegungen mit einbeziehen, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dies gelte insbesondere, wenn man bereits alle üblichen Optionen ausgeschöpft habe.
Für die Diagnose rät er in diesen Fällen zum TRIPS*-Fragebogen. Dieser ermögliche es auch Nichtpsychiatern, affektive und somatisierende Störungen zu erkennen. Je nach Ausprägung könne man den Patienten dann zum Beispiel mit Akupunktur, autogenem Training oder progressiver Muskelentspannung nach Jacobson unterstützen bzw. ihnen eine Psychotherapie empfehlen.
* The Rapid Interactive Psychiatric
Quelle: Screen Erb C. Z prakt Augenheilkd 2021; 42: 27-31