Probiotika gegen Depression?
Zwischen Gehirn und Darm besteht eine komplexe Wechselwirkung, an der auch das intestinale Mikrobiom beteiligt ist. Diese Interaktion könnte dazu führen, dass die Darmbakterien einen gewichtigen Einfluss auf menschliche Verhaltensweisen, ja sogar Emotionen nehmen, vermutet das Forscherteam um Sanjay Noonan von der Brighton and Sussex Medical School. Somit erscheint es möglich, dass bakterienhaltige Probiotika einen Effekt auf die Psyche haben. Auch Präbiotika, die das Gedeihen gesunder Darmbakterien fördern, könnten sich als Therapeutika eignen.
Um mehr über diesen möglichen Zusammenhang zu erfahren, starteten die britischen Wissenschaftler eine Literaturrecherche. Dabei identifizierten sie sieben kleine klinische Studien, die sich mit der mikrobiellen „Psychotherapie“ depressiver Patienten befassten und zwischen 2003 und 2019 publiziert wurden. Eine Untersuchung, die sich primär der Behandlung von Angststörungen widmete, existierte nicht. Allerdings lieferten die Arbeiten zur Depression indirekte Hinweise dazu, weil viele Teilnehmer an beiden Erkrankungen litten.
Sämtliche Untersuchungen ermittelten eine signifikante Reduktion von Beschwerden oder biochemischen Parametern, die für Angst bzw. Depression relevant sind. Keine kam zu dem Schluss, dass der Einsatz von Pro- oder Präbiotika die psychische Erkrankung verschlimmern könnte. Sechs der sieben Studien wiesen eine Verbesserung des klinischen Symptombildes nach, die mittels Hamilton-Depression-Scale (HDRS17-Version) bzw. Beck Depression Inventory erfasst wurde.
Ggf. wertvoller Zusatz zur leitliniengerechten Therapie
Ein positiver Effekt zeigte sich auch bei Patienten mit Major Depression, die bereits Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) erhielten. In einer Arbeit zur therapieresistenten Depression verbesserte sich die Lebensqualität. Eine Besonderheit dieser Studie war, dass 60 % der Teilnehmer gleichzeitig die Kriterien für eine Angststörung erfüllten. Aus den Daten ergibt sich laut den Autoren ein Hinweis auf eine zusätzliche Wirkung bei dieser Diagnose.
Die Einnahme von Pro- und Präbiotika kann eine leitliniengerechte Therapie von Depression und Angststörung nicht ersetzen, räumen sie ein. Die vorläufigen Daten sprechen aber dafür, dass sie eine wertvolle Unterstützung sein kann.
Quelle: Noonan S et al. BMJ Nutrition, Prevention & Health 2020; DOI: 10.1136/bmjnph-2019-000053