Diabetesgefahr steigt durch späte Mahlzeiten mit hohem glykämischem Index
Die Zeiten, als drei Mahlzeiten am Tag auf den Tisch kamen, sind Vergangenheit. „Wir essen erratisch“, erklärte Professor Dr. Anette Buyken, Universität Paderborn. Ernährungsprotokolle zeigen, dass eigentlich nur in tiefster Nacht nicht oder kaum gegessen wird. Zwar finden sich auch bei Kindern und Jugendlichen Peaks am Vormittag und am Abend. Aber eigentlich beginnt die Energiezufuhr schon morgens um sieben und endet gegen 21 Uhr. Dabei stellt sich natürlich die Frage: Wie relevant ist der zirkadiane Verlauf der Kalorienzufuhr für die Entwicklung respektive Prävention von Adipositas und Typ-2-Diabetes?
Zum Abend hin geht die Betazellaktivität zurück
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Verlauf der „Hungerkurve“ über den Tag. Kaum jemand wacht heißhungrig auf, egal wie viel Zeit seit der letzten Mahlzeit vergangen ist und wie üppig diese war. Hunger findet abends statt – evolutionär möglicherweise sogar ein Vorteil, wenn zu später Stunde große Mahlzeiten verzehrt werden und die Energie dann über Nacht in die Depots wandert. „Aber heute fällt uns das auf die Füße“, so Prof. Buyken.
Die Präferenz dafür, am Abend mehr zu essen als am Morgen, entwickelt sich in der Adoleszenz parallel zur Verschiebung des Chronotyps. „Späte“ Chronotypen verschieben die Nahrungszufuhr ihrer inneren Uhr folglich auf spätere Stunden. Bei Kindern wirkt sich das noch nicht auf die Gesamtkalorienzufuhr aus, aber etwa ab dem zehnten Lebensjahr korreliert die Energieaufnahme mit dem Chronotyp. Sprich: Eulen nehmen mehr Kalorien zu sich als Lerchen. „Abends viel zu essen, ist möglicherweise tatsächlich relevant für die Entwicklung von Übergewicht“, kommentierte die Ernährungswissenschaftlerin.
Die Glukosetoleranz nimmt im Laufe des Tages ab – weniger als Resultat des Essverhaltens als tatsächlich des endogenen zirkadianen Rhythmus. Zum (biologischen) Abend hin geht die Betazellaktivität zurück. Der Versuch, gegen die innere Uhr anzuessen, tut auch nicht gut – er zieht eine Abnahme der Insulinsensitivität nach sich.
Pubertierende sind per se insulinresistenter
Konsequenzen sind vor allem bei Jugendlichen zu beobachten, die ohnehin während der Pubertät eine transiente physiologische Insulinresistenz entwickeln, inklusive höherer Glukose- und Nüchterninsulinspiegel. Hinzu kommen die typischen pubertären Veränderungen in Verhalten (vermehrter Medienkonsum, weniger Bewegung, stärkere Risikoneigung) und in der Ernährung (mehr Fast Food und süße Getränke, weniger Obst und Gemüse).
An 226 Probanden erhobene Befunde aus der DONALD-Studie zeigen, dass jene Teilnehmer, die in jungen Jahren Lebensmittel mit hohem glykämischem Index (GI) bevorzugt hatten, später häufiger eine persistierende Insulinresistenz und hohe hepatische Steatosemarker entwickelten. Von Bedeutung scheint dabei weniger das Marmeladenbrot zum Frühstück zu sein als vielmehr der Verzehr von Weißmehl und Zucker am Abend.
„Wir reden hier nicht von kleinen Mengen, sondern von 36 % der abendlichen Energiemenge“, betonte Prof. Buyken. Ihr Fazit: „Langfristig wirkt es sich ungünstig auf Risikomarker des Typ-2-Diabetes im Erwachsenenalter aus, wenn Adoleszente regelmäßig abends reichlich Kohlenhydrate mit hohem GI zu sich nehmen.“
Quelle: Deutscher Diabeteskongress 2019