Kardiometabolisches Risiko: Bei Kohlenhydraten kommt es auf die Qualität an

Autor: Friederike Klein

Grüne Gemüse, Milch- und Vollkornprodukte wirken protektiv. Grüne Gemüse, Milch- und Vollkornprodukte wirken protektiv. © Florian Kunde – stock.adobe.com

Zur Reduktion des kardiometabolischen Risikos ist die Einschränkung der Zuckerzufuhr sinnvoll. Es gibt aber viele andere Kohlenhydrate mit durchaus günstigen Effekten. Deshalb sind und bleiben Kohlen­hydrate wichtige Ernährungsbestandteile. Nur die richtigen müssen es sein.

Kohlenhydratreiche Nahrungsmittel wie Süßigkeiten, gezuckerte Limonaden, Kuchen auf der einen und Obst, Gemüse und Vollkornprodukte auf der anderen Seite sollten nicht in einen Topf geworfen werden, sagte Professor Dr. Gabriele Riccardi von der Universität in Neapel. Während Süßgetränke und weißer Reis das Risiko für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes erhöhen, wirken grüne Gemüse, Milchprodukte oder Vollkornprodukte protektiv. Es kommt auf die Qualität der Kohlenhydrate an, nicht auf die Quantität, so der Experte.

Wesentliche, evidenzgestützte Qualitätsfaktoren sind

  • der Ballaststoffanteil,
  • der glykämische Index,
  • die Art der Kohlenhydrate und
  • ob es sich um Vollkornprodukte handelt.

Ein hoher Ballaststoffgehalt in der Nahrung ist nach einer aktuellen Metaanalyse1 prospektiver Studien mit einem reduzierten Diabetesrisiko, aber auch weniger kardiovaskulären Erkrankungen und Darmkrebs assoziiert. Am günstigsten war eine tägliche Ballaststoffaufnahme von 25–29 g.

Glykämischer Index und glykämische Last

Nicht nur die Ballaststoffe, auch der glykämische Index (GI) als Maß für den postprandialen Blutzuckeranstieg sowie die glykämische Last (GL) als Maß für die Kohlenhydratdichte von Nahrungsmitteln spielen für das Diabetesrisiko eine Rolle: Je höher der GI oder die GL ist, umso mehr steigt das Risiko gesunder Personen, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Dabei ist der GI eine etwas problematische Größe: Er ist auch abhängig davon, wie das jeweilige Nahrungsmittel zubereitet wird, und kann durch Zugabe von Protein, Fett oder Ballaststoffen verändert sein.

Ist bei Menschen mit Typ-2-Diabetes die höhere Ballaststoffaufnahme an eine höhere Kohlenhydratzufuhr gekoppelt – beispielsweise bei pflanzenreicher Kost – , führt das zu einer niedrigeren postprandialen Blutzuckererhöhung und verringert die Blutzuckervariablilität deutlicher als bei einer kohlenhydratarmen „Low Carb“-Ernährung mit wenig Faserstoffen. Dabei spielen nicht nur die unlöslichen Ballaststoffe eine wichtige Rolle, sondern auch lösliche wie Pektin, Inulin, Glukomannan oder Beta-Glucane. Sie erhöhen die Viskosität des Nahrungsbreis, verlangsamen die Magenentleerung. Die Absorption von Nährstoffen wird verzögert und ein Blutzucker-Peak vermieden, wie das Beispiel von mit Glukomannan angereichertem Brot im Vergleich zu einem normalen Weißbrot zeigt. Auch Zucker ist nicht gleich Zucker. Fruktose ist besonders ungünstig: Es fördert die De-novo-Lipogenese, erhöht das Leberfett und ist als Süßmittel in Getränken mit einem erhöhten Diabetesrisiko assoziiert. Bei Stärke gilt, dass Amylopektin leichter zu verdauen ist als Amylose. Das kann man sich zunutze machen, indem man Weizenmehl mit Amylose anreichert und so den postprandialen Blutzuckerspiegel nach Weißbrotkonsum verringern kann. Eine Ernährung reich an Vollkornprodukten kann das Risiko für Typ-2-Diabetes dosisabhängig senken. Prof. Riccardi wies darauf hin, dass dies nicht nur Folge des Ballaststoffreichtums dieser Nahrungsmittel ist, sondern viele andere in Vollkornprodukten enthaltene Substanzen, beispielsweise Flavonoide, Phenole oder Betaine, eine wichtige Rolle spielen. Er propagierte den Kohlenhydratindex, der die verschiedenen Charakteristika der Qualität von Kohlenhydraten berücksichtigt.2 Die Angabe des Kohlenhydratanteils an der Ernährung alleine ist dagegen irreführend.

Quellen:
1 Reynolds A et al. Lancet 2019; 393: 434-445; DOI: 10.1016/S0140-6736(18)31809-9
2 Zazpe I et al. Nutr Metab Cardiovasc Dis 2016; 26: 1048-1056; DOI: 10.1016/j.numecd.2016.07.002

Kongressbericht: EASD 2019