Digitale Helfer bei Demenz: Elektronische Assistenzsysteme denken mit
Es gibt eine ganze Reihe technischer Hilfsmittel, die die Versorgung dementer Menschen erleichtern und ihnen ein Leben in der eigenen Wohnung ermöglichen können. Die Krux dabei: Die Geräte und Systeme sind kaum bekannt, auch nicht bei Ärzten und dem professionellen Pflegepersonal, schreiben Helen Spanier von der Alexianer Klinik für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie in Krefeld und ihre Kollegen. Sie geben einen umfassenden Überblick über das Angebot an Unterstützungssystemen, wobei sie grob zwischen Sicherheitsprodukten und aktivierenden Geräten und Hilfsmitteln unterscheiden.
1. Produkte, die die Sicherheit des Kranken gewährleisten sollen:
Hält man sich vor Augen, dass Demente oft nicht zu Ort und Zeit orientiert sind, verwundern sogenannte Weg- oder Hinlauftendenzen der Betroffenen nicht. Für Angehörige ist das eine enorme Belastung. In solchen Fällen helfen GPS-basierte Ortungsgeräte. Alternativ lassen sich Programme auf Smartphones hochladen, wodurch sich diese dann mit einem anderen Gerät orten lassen. Eine Variante sind Chips, die der Demente etwa an einer Kette trägt. In sogenannten Geofencing-Systemen lässt sich festlegen, in welcher Umgebung sich der Betroffene eigenständig bewegen kann, wobei sich stark befahrene Straßen oder Gewässer mit einem virtuellen Zaun umgeben lassen. Verlässt der Kranke den „erlaubten“ Bereich, erhält die Kontaktperson eine Nachricht.
Menschliche Zuwendung muss im Mittelpunkt bleiben
So sinnvoll diese elektronischen Helfer scheinen mögen, sie stellen die Beteiligten vor ein ethisches Dilemma. Denn auch wenn die Systeme den Patienten schützen, greifen sie doch massiv in dessen Selbstbestimmungsrecht ein.
Da die Geodaten im Allgemeinen über das Internet übertragen werden, ergibt sich zudem die Frage nach einem ausreichenden Schutz dieser Informationen. Man sollte solche Überwachungs- und Ortungssysteme also nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Patienten verwenden – aber es liegt im Wesen seiner Erkrankung, dass er diese Erklärungen und Absprachen oft nicht verstehen kann oder wieder vergessen wird. Die Autoren halten es daher für ratsam, sich zuvor beim zuständigen Amtsgericht kundig zu machen. Übrigens übernimmt die Pflegekasse die Kosten solcher Systeme nur dann, wenn ein Hausnotruf installiert und ein Pflegegrad festgestellt ist.
Es gibt zahllose weitere Geräte, etwa Notrufsysteme, die bei Stürzen automatisch aktiviert werden. Ein Herd- und Ofenwächter beugt verbranntem Essen vor und schützt vor Rauch und Wohnungsbränden, Wassermelder in Badezimmerteppichen schlagen bei überlaufender Badewanne an.
Technische Hilfen
„Alter und Technik“
2. Systeme, die den Patienten aktivieren, ihm Interaktion erlauben und ihn fit halten sollen:
Tablet-Computer helfen, mit anderen zu kommunizieren oder miteinander zu spielen. Spezifische Snoezelen-Gadgets sollen die Sinnesfunktionen anregen und erhalten. Sie ermöglichen es dem Patienten zudem, sich zu entspannen und auszuruhen. Oftmals lässt sich erst mit diesen Geräten Kontakt zu Menschen mit schwerer Demenz herstellen. Aber Vorsicht, warnen die Experten abschließend: Im Mittelpunkt dürfe nicht die Technik an sich stehen, sondern die menschliche Zuwendung für den Alten und Dementen. Im besten Fall schaffen die genannten technischen Hilfsmittel den Freiraum und die Zeit dafür.Quelle: Spanier H et al. DNP 2021; 22: 28-34