Neuartiger Wirkstoff Dreifach-Rezeptoragonist als neuer Hoffnungsträger bei Typ-2-Diabetes
LY3437943 wirkt an drei verschiedenen Rezeptoren als Agonist, erläutern Dr. Shweta Urva und Dr. Tamer Coskun von Eli Lilly and Company in Indianapolis, und zwar an den Rezeptoren für Glukagon, GIP (glukoseabhängiges insulinotropes Peptid) und GLP1(Glucagon-like Peptide-1). Der Entwicklung von LY3437943 liegt die Hoffnung zugrunde, auf diese Weise die positiven metabolischen Effekte von Glukagon und der beiden Inkretinhormone GIP und GLP1 in einem einzigen Wirkstoff vereinen zu können (siehe Kasten).
Phase-Ib-Studie an vier US-amerikanischen Zentren
Nach vielversprechenden präklinischen Tests prüften Dr. Urva und weitere Forschende zwischen Dezember 2019 und Dezember 2020 die Sicherheit, die Pharmakokinetik sowie die Pharmakodynamik von LY3437943 im Rahmen einer an vier US-Zentren durchgeführten Phase-Ib-Studie. Bei den Teilnehmenden handelte es sich um 72 Erwachsene im Alter zwischen 20 und 70 Jahren, die seit mindestens drei Monaten mit einem Typ-2-Diabetes lebten, einen HbA1c-Wert zwischen 7,0 und 10,5 % und – bei stabilem Körpergewicht – einen Body-Mass-Index zwischen 23 und 50 kg/m2 aufwiesen.
LY3437943: „Drei in eins“
Glukagon reduziert unter anderem den Appetit und die gastrointestinale Motilität, fördert den Energieverbrauch und steigert die hepatische Fettsäureoxidation und Lipolyse. GIP steigert die postprandiale Insulinsekretion und erleichtert die Lipidclearance. GLP1-Rezeptoragonisten wirken ebenfalls appetitzügelnd, verzögern die Magenentleerung, steigern die postprandiale Insulinsekretion . Sie verbessern bei Personen mit einem Typ-2-Diabetes darüber hinaus die Blutzuckerkontrolle und reduzieren das Körpergewicht. Diese positiven metabolischen Effekte sollen im Wirkstoff LY3437943 vereint werden.
Gemäß Randomisierung erhielten 15 Personen über einen Zeitraum von zwölf Wochen einmal pro Woche eine subkutane Placeboinjektion, fünf Personen erhielten den GLP1-Rezeptoragonist Dulaglutid, je neun Personen erhielten 0,5 bzw. 1,5 mg LY3437943 und 11 Personen erhielten 3 mg LY3437943. Zusätzlich sah das Studiendesign zwei Behandlungsgruppen mit schrittweiser Eskalation der LY3437943-Dosis vor (3/6 mg, n = 11 bzw. 3/6/9/12 mg, n = 12).
Nur leichte oder mäßige gastrointestinale Störungen
Insgesamt 29 Personen schieden vorzeitig aus der Studie aus – Grund hierfür waren mehrheitlich medizinische Entscheidungen in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, berichten die Forschenden. Therapieassoziierte Nebenwirkungen (TEAE, treatment-emergent adverse events) entwickelten 63 % der mit LY3437943, 60 % der mit Dulaglutid sowie 54 % der mit Placebo behandelten Personen. Am häufigsten handelte es sich dabei um transiente gastrointestinale Störungen leichter oder mäßiger Ausprägung. Die pharmakokinetischen Parameter wiesen eine Dosisproportionalität auf.
Die gewonnenen Daten zur Halbwertszeit des Wirkstoffs – diese beträgt etwa sechs Tage – sprechen nach Einschätzung der Forschenden für eine wöchentliche Applikation. Nach der zwölfwöchigen Behandlungsphase stellten sie in den LY3437943-Gruppen im Vergleich zu Placebo eine signifikante Verbesserung der glykämischen Kontrolle (Blutzuckerkonzentration, HbA1c-Wert) fest. Weiterhin hatten die mit dem Dreifach-Rezeptoragonist behandelten Personen erheblich stärker an Gewicht abgenommen als die Kontrollen. Höhere Wirkstoffdosen erzielten dabei sowohl im Hinblick auf die Blutzuckerkontrolle als auch im Hinblick auf die Gewichtsreduktion die deutlichsten Effekte.
Vielversprechende Ergebnisse in Phase-II-Studien untermauern
LY3437943 wird bei einmal wöchentlicher Gabe gut vertragen, verbessert die Blutzuckerkontrolle und reduziert das Körpergewicht stärker als alle bislang zur Adipositastherapie zugelassenen Pharmaka, schließen die Forschenden. Angesichts dieser vielversprechenden Ergebnisse prüfen sie den Dreifach-Rezeptoragonist nun im Rahmen zweier Phase-II-Studien an Menschen mit einem Typ-2-Diabetes bzw. einer Adipositas. Diese sollen zudem klären, ob auch Personen mit einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung oder Steatohepatitis von LY3437943 profitieren.
Literatur:
Urva S et al. Lancet 2022; 400 (10366): 1869-1881; DOI: 10.1016/S0140-6736(22)02033-5