Adipositas und COPD Freund und Feind zugleich
Die Forschung zu Körpergewicht und Körperzusammensetzung von COPD-Patienten hat sich bisher meist auf das Untergewicht fokussiert. Adipositas war schlicht kein Thema, weil es als ausgemacht galt, dass ein bisschen Speck mehr auf den Rippen den Patienten eher gut tut. Allenfalls wurde der BMI als demografische Variable in klinischen Studien registriert.
Eine Ausnahme bildet eine niederländische Studie, die das Problem von Übergewicht und seinem Einfluss auf Begleiterkrankungen und Medikation bei COPD adressiert hat. Wie Professor Dr. Janet L. Larson, University of Michigan, Ann Arbor, berichtete, haben die Kollegen Daten von fast 5.000 Patienten mit spirometrisch bestätigter milder bis moderater COPD und einem BMI von mindestens 21 kg/m² ausgewertet. Fast drei Viertel der Teilnehmer waren übergewichtig (n = 2212) oder adipös (n = 1192).
Häufiger Bronchodilatatoren für Übergewichtige
Übergewicht erhöhte das Risiko für diverse Begleiterkrankungen, vor allem Diabetes und Hypertonie, aber auch Arthrose und Herzinsuffizienz. Seltener als bei Normalgewichtigen traten Osteoporose, Angststörungen und Pneumonien auf. Mit dem Gewicht der Patienten stieg offenbar die Neigung der Ärzte zur Verordnung von Arzneimitteln. Übergewichtige und Adipöse erhielten häufiger kurz- und langwirksame Bronchodilatatoren, inhalative und orale Steroide. Antibiotikagaben fanden sich nur bei adipösen Patienten häufiger auf der Liste.
„Dicke COPD-Patienten kommen vermutlich öfter mit Atemnot und Exazerbationen zum Arzt, die möglicherweise stärker auf das Übergewicht zurückzuführen sind als auf die COPD“, interpretiert Prof. Larson diese Resultate. Eine andere Erklärung könnte sein, dass die Atemwegstherapeutika Wirksamkeit einbüßen, je stärker das Gewicht Normalwerte übersteigt.
Trotzdem, überschüssige Pfunde scheinen den COPD-Patienten tatsächlich zu nutzen, wie eine aktuelle Auswertung der RETOS-Studie* demonstriert. In sie gingen Daten von 301 wegen akuter Exazerbation hospitalisierten COPD-Patienten ein. Vier von zehn hatten einen BMI über 30 kg/m². Auch in dieser Studie fanden sich für Adipöse höhere Raten an kardiovaskulären Risikofaktoren und Komorbiditäten inklusive KHK und Herzinsuffizienz. Nichtsdestotrotz stabilisierten sie sich etwas schneller (2 vs. 3 Tage) als Normalgewichtige und verließen das Krankenhaus früher (3,5 vs. 4 Tage, Unterschiede nicht-signifikant).
Überwachtes Intervalltraining add on hat sich bewährt
Spannend wird es bei der Mortalität im Langzeitverlauf. Nach sechs Monaten waren 18 % der Normalgewichtigen gestorben, aber nur 7 % der Adipösen. Nach einem Jahr betrugen die Raten 28 % und 8 %, was einer mehr als 80%igen Risikoreduktion entspricht (p = 0,004). Leider geht aus der Publikation nicht hervor, wie die Körperzusammensetzung der Patienten aussah, speziell die Muskelmasse, bedauerte Prof. Larson. Daraus hätte man Schlüsse zu protektiven Mechanismen ableiten können.
Wie sich übergewichtige COPD-Patienten in der Reha trainieren lassen, haben türkische Kollegen untersucht. Überwachtes Intervalltraining zusätzlich zu Übungen daheim schien bei ihnen am besten zu funktionieren: Die Patienten klagten seltener über Muskelermüdung und Atemnot als die mit kontinuierlichem Training. Sie konnten ihre Leistungsfähigkeit stärker steigern und schilderten eine bessere Lebensqualität.
Der Nutzen hinsichtlich der Grunderkrankung ist in dieser Studie nicht untersucht worden. Andere Arbeiten haben jedoch gezeigt, dass COPD-Patienten von Rehasport auch im Hinblick auf den Krankheitsverlauf profitieren. Das dürfte für körperliche Aktivität allgemein gelten. Ob Training negative Effekte von Übergewicht ausgleichen kann, bleibt zu prüfen.
* RETOS diente ursprünglich der Prüfung einer raschen empirischen Therapie mit dem Influenzamedikament Oseltamivir
Kongressbericht: ATS 2021 International Conference (Online-Veranstaltung)