Depression Gemüse fürs Gemüt
Weg von der reinen Therapieperspektive, hin zur Prävention: Dieser Ansatz wird in der Psychiatrie immer stärker verfolgt – auch im Hinblick auf die Depression. Tatsächlich gibt es mittlerweile solide Erkenntnisse, dass beispielsweise psychosoziale und -therapeutische Interventionen deren Entwicklung verhindern können. So bestätigte im letzten Jahr eine Metaanalyse von neun randomisierten klinischen Studien, dass psychologische, schulische und E-Health-Interventionen sowie körperliche Aktivität Depressionen vorbeugen können, berichtete Prof. Dr. Erich Seifritz von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
Er stellte zudem eine Arbeit aus der Mayo Clinic in Rochester vor. Dort hatte man balintgruppenartige Diskussionsrunden etabliert, in denen sich angestellte, burnoutgefährdete Ärztinnen und Ärzte im Verlauf von sechs Monaten alle zwei Wochen trafen. „Burn-out ist ein ganz hoher Risikofaktor für die Entwicklung einer klinisch relevanten Depression“, erinnerte er. Ein halbes Jahr nach der letzten Sitzung zog man Bilanz und verglich mit einer Kontrollgruppe ohne Gesprächsangebot.
Diskutieren in der Gruppe schützte vor Burn-out
Insgesamt hatten 125 Mediziner an der Studie teilgenommen. Die Burnout- bzw. Depressionsrate war in der Interventionsgruppe um jeweils knapp 13 % zurückgegangen, während sich in der Kontrollgruppe ein leichter Anstieg abzeichnete (+1,9 % bzw. +1,1 %). Der Anteil derjenigen, die es für recht bis sehr wahrscheinlich hielten, in den folgenden zwei Jahren die Klinik zu verlassen, sank in der Diskussionsgruppe um knapp 2 % ab, in der Kontrollgruppe hatte er dagegen signifikant um 6,1 % zugenommen.
Ein weiterer Ansatzpunkt, um Depressionen vorzubeugen, ist die Ernährung. Dass sich das Risiko durch mediterrane Kost senken lässt, zeigt eine aktuelle Studie auf Basis einer repräsentativen US-amerikanischen Stichprobe. Ausgewertet wurden die Daten von mehr als 11.000 Erwachsenen. Knapp 8 % von ihnen litten unter einer mittelschweren bis schweren Depression gemessen anhand des Patient Health Questionnaire-9 (PHQ-9).
Es stellte sich heraus, dass die Gefahr umso geringer war, je mediterraner sich die Teilnehmer ernährten, berichtete Prof. Seifritz. Dieses Ergebnis hatte auch dann Bestand, wenn Einflussfaktoren wie soziodemographischer und Gesundheitsstatus, Lebensstil und CRP bei der Analyse berücksichtigt wurden.
Typischerweise weist mediterrane Kost einen niedrigen inflammatorischen Index auf. Und genau der wurde in einer chinesischen Arbeit als präventiver Faktor im Hinblick auf die Entwicklung einer Depession identifiziert.
Für 7.870 Patienten mit chronischen Erkrankungen berechnete man diesen Index anhand des Ernährungsverhaltens und stellte fest, dass Teilnehmer in der Quintile mit dem höchsten Wert ein erhöhtes Risiko für eine Depression hatten. Die Odds Ratio (OR) lag für diejenigen mit einem Diabetes bei 1,73, für Hypertoniker bei 1,93 und für KHK-Patienten bei 2,65. Vor allem für Menschen unter 60 Jahren und Männer zeigte sich eine lineare Beziehung.
Keinen positiven Einfluss auf die Gefahr, schwermütig zu werden, hat dagegen die Supplementierung mit Omega-3-Fettsäuren und Vitamin D, berichtete Prof. Seifritz und verwies auf die Ergebnisse einer US-amerikanischen Studie mit mehr als 18.300 Teilnehmern im Alter über 50 Jahren. Initial zeigte keiner von ihnen klinisch relevante depressive Symptome. Knapp 1.700 hatten zwar schon eine Depressison durchgemacht, aber in den vorangegangenen zwei Jahren keine Therapie benötigt.
Im Median fünf Jahre lang nahmen die Probanden täglich ein Fischölpräparat mit 465 mg Eicosapentaensäure plus 375 mg Docosahexaensäure sowie 2.000 IE Vitamin D3 ein oder Placebo. Am Ende zeigte sich für keines der beiden Supplemente ein präventiver Effekt. Tatsächlich gab es in der Omega-3-Fettsäuren-Gruppe sogar mehr Depressionen als unter Placebo (13,9 versus 12,3 Fälle pro 1000 Personenjahre).
Ganz wichtig in der Vorbeugung ist der Schlaf, mahnte Prof. Seifritz. Insomniepatienten sollte man auch deshalb möglichst effektiv behandeln. Schlafedukation reicht dafür aber womöglich nicht aus. In einer aktuellen Studie behandelte man 291 Insomniepatienten ab 60 Jahren über zwei Monate entweder mit einer auf die Schlafstörung ausgerichteten kognitiven Verhaltenstherapie (KVT, n = 156) oder mit Schlafedukation (n = 135). Keiner der Teilnehmer war depressiv oder hatte im vorangegangenen Jahr eine schwere Krankheit durchgemacht. Durch die KVT gelang es, das Depressionsrisiko im Vergleich zur Schlafedukation hochsignifikant zu senken. Der präventive Effekt war zudem mit einem Rückgang der Schlafstörung verbunden.
Psychisch krank zu sein bleibt ein Stigma
Ein für Prof. Seifritz wichtiger Aspekt der Studie: In der KVT-Gruppe war die Krankheit kein Thema, die Teilnehmer wurden nicht als potenziell Depressive angesprochen, sondern als reine Insomniepatienten. Dies habe eine große Bedeutung, weil psychische Erkrankungen immer noch mit einem Stigma behaftet seien, betonte der Züricher Psychiater.
Seminarbericht: 12. Psychiatrie-Update-Seminar