Depression: Was neben Antidepressiva und Psychotherapie noch helfen kann

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Auf pflanzlicher Seite bieten sich Johanniskraut (links) und Lavendel (rechts) zur Behandlung von Depressionen an. Auf pflanzlicher Seite bieten sich Johanniskraut (links) und Lavendel (rechts) zur Behandlung von Depressionen an. © wikimedia/Michael H. Lemmer; wikimedia/Christer Johansson

Etwa jede vierte Frau und jeder achte Mann erleiden mindestens einmal im Leben eine depressive Episode. Antidepressiva, Psychotherapie oder die Kombination aus beidem gelten als Therapie der Wahl. Es gibt allerdings noch andere Möglichkeiten.

Die „Glückspillen“ machen bei Depressionen nicht uneingeschränkt glücklich. Vor allem die Nebenwirkungen sind nicht zu unterschätzen (s. Kasten), erinnern die Psychologin Dr. rer. nat. Anna Koch von der Klinik für Naturheilkunde­ und Integrative Medizin an den Kliniken Essen-Mitte und Kollegen. Und auf einen Termin für eine Psychotherapie, das zweite Standbein der Behandlung, muss man teilweise monatelang warten, in Coronazeiten eher noch länger. 

Nebenwirkungen auch langfristig

Zu den Nebenwirkungen der verschiedenen Antidepressiva gehören Abhängigkeit, Gewichtszunahme, vermehrtes Schwitzen, Schwindel und sexuelle Funktionsstörungen. Gerade Letztere können auch nach Absetzen der Medikamente weiter bestehen – was die Depression vermutlich eher nicht bessert. Daher müssen die Packungsbeilagen von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern mittlerweile einen entsprechenden Warnhinweis enthalten.

Patienten wünschen und suchen daher auch andere Ansätze. Tatsächlich können verschiedene Maßnahmen – zumindest bei leichten bis mittelschweren depressiven Beschwerden – zur Überbrückung und Ergänzung weiterhelfen. Aus der Pflanzenmedizin nennen die Autoren vor allem das Johanniskraut. Und in der nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depressionen“ wird das Phytotherapeutikum als Option erwähnt. Allerdings, so warnen die Fachleute, sollten Präparate aus der Apotheke zum Einsatz kommen, denn nur sie unterliegen bezüglich Wirkstoffgehalt und Qualität strikten Kontrollen. Für die Pillen, die man schnell nebenbei im Drogeriemarkt mitnimmt, gilt das nicht. Außerdem empfiehlt sich wegen der bekannten zahlreichen Wechselwirkungen, z.B. mit Psychopharmaka, Zytostatika und hormonellen Kontrazeptiva, die Einnahme nur unter ärztlicher Aufsicht. Die Wirksamkeit von Antidepressiva verbessern kann Lavendel (z.B. 60 Tropfen Lavendeltinktur), den die Europäische Arzneimittelbehörde als sicher einstuft.

Ganz normale Aerobic-Kurse können etwas bewirken

Körperliche Aktivität ist ein weiterer Ansatz, der günstige Effekte entfaltet. Schon ganz normale Aerobic-Kurse haben sich kurzfristig im Vergleich zu Sertralin als mindestens gleichwertig erwiesen, allerdings kam es bei den „Sportlern“ zu deutlich weniger Rückfällen. Yoga-Übungen, die aber vernünftig gelernt werden sollten, helfen zumindest kurzzeitig. Ähnliches gilt für Tai-Chi und Qigong. Auf Bewegung in Kombination mit Psychotherapie setzt die Tanztherapie. Eine Musiktherapie, aktiv oder passiv, lohnt ebenfalls den Versuch. Auch achtsamkeitsbasierte Therapien (Stressreduktion, kognitive Therapie) kommen infrage, sie können die Schwere der Depression und Rückfälle vermindern. Die Lichttherapie, bei der die Betroffenen mit künstlichem, dem Sonnenlichtspektrum entsprechendem Licht bestrahlt werden, eignet sich vor allem bei saisonalen Depressionen (Winter). Grundsätzlich ist für viele Ansätze (s. Tabelle) das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Autoren raten aber dazu, sie immerhin mit den Patienten zu diskutieren.
Mögliche alternative Therapien bei Depression ohne klare Evidenz
GruppeAnmerkung
NahrungsergänzungsmittelVor allem regelmäßiges, hoch dosiertes Vitamin C könnte suizidale Tendenzen und die Gefahr von depressiven Störungen bei gefährdeten Menschen mindern. Ansonsten gibt es für A (wie Adenosylmethionin) bis Z (wie Zink) keine zuverlässigen Daten.
Akupunktur und AkupressurBeide Verfahren sollen die „Lebensenergie (Chi)“ wieder fließen lassen. Teilweise gibt es vielversprechende Daten, aber die Studienqualität ist bisher unzureichend.
Ernährung, MikrobiomEine mediterrane Diät könnte depressive Symptome lindern, auch therapeutisches Fasten scheint kurzfristig zu helfen. Die Studienlage ist aber noch dünn. Eine Beeinflussung der Darmmikrobiota wird untersucht. Aufgrund der Darm-Hirn-Achse wären Effekte denkbar.
AromatherapieMassagen mit ätherischen Ölen wirken entspannend und lindern depressive Symptome. Für die unipolare Depression gibt es keinen Wirknachweis. Positive Effekte von Massagen ohne ätherische Ölen wurden nachgewiesen, allerdings sind die Studien sehr heterogen und einheitliche Massageprotokolle überfällig.
Biofeedback, Humor, Selbstmitgefühl, Hypnose, Waldbaden, Neuraltherapie, Hyperthermie (Kerntemperatur ↑ auf 38,5–40,5 °C)Oft werden positive Wirkungen beschrieben, methodisch korrekte Studien liegen aber kaum vor.
GewürzeIn Apothekenqualität helfen könnten Safran, Curcumin und einige Kräuter aus der traditionellen chinesischen Medizin, die aber alle noch nicht ausreichend untersucht sind.

Quelle: Koch AK et al. internistische praxis 2021; 63: 720-729