Kardiale Biomarker Herz-Kreislauf-Risiko künftig an Laborwerten ablesen?
Biomarker erlauben häufig eine genauere Diagnose, Differenzierung und quantitative Beurteilung der Dynamik eines individuellen Krankheitsgeschehens als anamnestische, klinische oder bildgebende Verfahren“, schreiben der Pharmakologe Prof. Dr. Thomas Eschenhagen und der Kardiologe Prof. Dr. Paulus Kirchhof vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. In ihrer Übersichtsarbeit fassen die beiden Experten den aktuellen Stand zu kardiovaskulären Biomarkern zusammen und geben einen Ausblick auf die Zukunft.
Als Biomarker eignen sich Moleküle, die im Blut zirkulieren oder im Urin ausgeschieden werden und die einfach messbar sind. Ein prominentes Beispiel sind Troponine, die beim Untergang von Herzmuskelzellen rasch freigesetzt werden und sich im Blut relativ lange nachweisen lassen. Ihr hoher Stellenwert in der Kardiologie ist heute unumstritten. So ist die frühe Dynamik der Plasmakonzentrationen von Troponin I oder T (TnI,TnT)wegweisend bei der initialen Diagnose eines Myokardinfarkts. Bei Patienten ohne typische ST-Streckenhebung im EKG erlauben die Troponinwerte außerdem eine eindeutige Unterscheidung zwischen einer instabilen Angina pectoris ohne Herzmuskeluntergang und einem nicht-transmuralen Herzinfarkt.
Ein weiterer etablierter Biomarker ist das Brain natriuretic Peptide (BNP) bzw. sein Vorläuferpeptid NT-proBNP. Ebenso wie das atriale natriuretische Peptid (ANP) hat BNP diuretische sowie antisympathotone Eigenschaften. Es wird vor allem im Vorhof des Herzens sezerniert. Im Falle einer pathologischen Herzhypertrophie und Herzinsuffizienz werden die Peptide jedoch auch im Ventrikel exprimiert. Die Bestimmung der BNP- und NT-proBNP-Werte ist deshalb fester Bestandteil der Diagnostik bei Verdacht auf Herzinsuffizienz.
Auch nicht-kardiale Ursachen erhöhen BNP und NT-proBNP
Gemäß aktueller Leitlinien schließen niedrige Konzentrationen eine Herzinsuffizienz sicher aus. Erhöhte Werte deuten zwar auf eine Herzinsuffizienz hin, reichen jedoch allein nicht aus, um die Diagnose sicher zu stellen. Dies liegt unter anderem daran, dass auch nicht-kardiale Umstände wie eine Nieren- oder Leberinsuffizienz sowie eine Sepsis einen Anstieg von BNP und NT-pro-BNP im Serum hervorrufen können. Darüber hinaus sind natriuretische Peptide auch bei einer Druckbelastung der Vorhöfe, beispielsweise im Rahmen von Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern, erhöht. Auf jeden Fall sollten erhöhte Werte Anlass für eine gründliche kardiologische Untersuchung sein, betonen die beiden Experten.
Neben ihrer großen Bedeutung bei der Diagnosestellung sind die genannten Biomarker offenbar auch für die Prognose interessant. Selbst bei anscheinend Gesunden weisen bereits geringe Anstiege von TnI/TnT und BNP/NT-proBNP auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko hin. Dies offenbarte sich unter anderem bei Nachauswertungen der SPRINT-Studie zur Blutdrucktherapie. Dort trugen Teilnehmer mit erhöhten TnT- und NT-proBNP-Werten ein über siebenfach höheres Sterberisiko als solche ohne eine Erhöhung der Werte.
Noch keine therapeutischen Konsequenzen ableitbar
Entsprechend war auch der absolute Überlebensgewinn durch eine intensivierte Blutdrucksenkung bei den Betroffenen siebenfach größer. Bislang reicht die Datenlage jedoch noch nicht aus, um therapeutische Konsequenzen aus dieser Korrelation zwischen den Biomarkerkonzentrationen und der Prognose zu ziehen. Künftige Studien müssen klären, wie sinnvoll eine Kontrolle der Therapieeinstellung anhand der Werte für Troponin und natriuretische Peptide ist.
Weiterhin besteht eine wichtige Aufgabe der Forschung darin, die Bedeutung bislang wenig untersuchter Biomarker für die Kardiologie zu ergründen. Vielversprechend ist das kardiale myosinbindende Protein (MYBPC3). Es soll schon vor der Troponinfreisetzung nachweisbar sein und damit eine noch frühere Erkennung eines Myokardinfarktes ermöglichen. Bone Morphogenetic Protein 10 (BMP10) wird von den Vorhöfen sezerniert und könnte sich als Biomarker für pathologische Vorhofveränderungen erweisen. Weitere vielversprechende Kandidaten sind kardiovaskuläre Wachstumsfaktoren wie Angiopoietin-2 (Angpt-2) oder Fibroblast Growth Faktor 23 (FGF23). Letzterer hat fibroblastenstimulierende Effekte in den Vorhöfen und ist als Biomarker für Vorhofflimmern und kardiorenale Syndrome interessant.
Quelle: Eschenhagen T, Kirchhof P. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 605-609; DOI: 10.1055/a-1949-1873