Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall – N-Glykosylierungsmuster als Biomarker

Autor: Dr. Judith Lorenz

Anhand von Plasmaproben lässt sich das Risiko für Diabetes abschätzen. Anhand von Plasmaproben lässt sich das Risiko für Diabetes abschätzen. © iStock/eldemir

Ob eine Person zukünftig an einem Typ-2-Diabetes, einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall erkranken wird, lässt sich möglicherweise anhand des Glykosylierungsmusters der Plasmaproteine abschätzen. Das zeigen Ergebnisse einer aktuellen Studie vom DIfE.

Erstmals konnte ein Team um Professor Dr. Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) den prädiktiven Nutzen der N-Gykosylierungsprofile von Plasmaproteinen an einem Bevölkerungskollektiv nachweisen.

N-Glykosylierung

Bei der N-Glykosylierung handelt es sich um eine posttranslationale Proteinmodifikation, bei welcher Kohlenhydrate kontrolliert an bestimmte Aminosäuren gebunden werden. Die Zusammensetzung des sogenannten N-Glykoms, also des individuellen Glykosylierungsmusters einer Person, lässt sich chromatografisch bestimmen und bietet sich als Indikator insbesondere für kardiometabolische pathologische Prozesse an.

Hierzu analysierten sie Plasmaproben einer Zufallsstichprobe von 2500 Teilnehmern der Mitte der 1990er-Jahre gestarteten prospektiven European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition/EPIC-Potsdam(EPIC)-Kohortenstudie: Sie bestimmten das Chromatografiemuster von 39 verschiedenen N-Glykangruppen. Zusätzlich analysierte das Team auch das N-Glykosylierungsprofil von 820 bzw. 508 weiteren Personen der EPIC-Kohorte, die während des Nachbeobachtungszeitraums einen Typ-2-Diabetes bzw. eine Herz-Kreislauf-Erkrankung (z.B. Myokardinfarkt, Schlaganfall) entwickelt hatten.

Risikoscores auf Basis von N-Glykanen entwickelt

Mithilfe moderner Berechnungsmethoden entwickelten die Wissenschaftler zunächst einen auf sechs N-Glykosylresten basierenden Score zur Vorhersage der Typ-2-Diabetes-Inzidenz. Dieser erwies sich in einem internen Validierungskollektiv als hoch prädiktiv. Das Ergebnis konnten die Forscher anschließend an einer externen Validierungskohorte von Teilnehmern einer finnischen Studie zum kardiovaskulären Risiko (FINRISK) bestätigen. Weiterhin entwickelten sie einen N-Glykan-basierten Score zur Vorhersage von Herz-Kreislauf-Ereignissen. Laut den Studienautoren wies dieser allerdings alleine nur eine mäßige Vorhersagekraft auf. Beide N-Glykan-­basierten Modelle verbesserten jedoch den prädiktiven Wert der etablierten klinischen Instrumente zur Einschätzung des Diabetes- und des Herz-Kreislauf-Risikos – beispielsweise des Deutschen Diabetes Risiko-Tests bzw. des Risikoscores der American Heart Association. Mittels zusätzlichem Plasma-N-Glykom-Screening lassen sich zukünftige Typ-2-Diabetes- und Herz-Kreislauf-Patienten besser identifizieren als mit den traditionellen Risikomarkern allein, schreiben die Autoren der Studie. Die Kombination beider Prognoseinstrumente ermöglicht ihrer Einschätzung nach eine frühzeitige und zielgenaue Versorgung der Betroffenen mit effektiven Primärpräventionsstrategien. Eine Validierung der Ergebnisse in weiteren Populationen stehe allerdings noch aus.

Quelle: Wittenbecher C et al. Diabetes Care 2020 Mar; 43(3): 661-668; DOI: 10.2337/dc19-1507