Dies sei der Ansatz gewesen, um in den Markt einzutreten und auf diese Weise ein Modell auf Akzeptanz zu testen. Heute sei man an einem Punkt, an dem man – auch mit den technologischen Möglichkeiten im Gesamtkonzern – den Schulterschluss mit den Behandlern suche. So möchte man im nächsten Schritt gemeinsam mit Ärzten und Diabetesberaterinnen an Coachingansätzen arbeiten, um alle Perspektiven zu berücksichtigen. Die technische Basis hierfür sei gegeben: mySugr Daten können bereits in das bei den Ärzten häufig verwendete Diabetes Management System Smart Pix Software importiert werden.
Auf Nachfrage ging Enczmann auf die Kooperation von mySugr mit der Krankenkasse Barmer ein: Beim im Frühjahr 2018 gestarteten Projekt wird Versicherten der Barmer mit einem insulinpflichtigen Diabetes von der Kasse mySugr vorgeschlagen. Diese erhalten ein Blutzuckermessgerät in Kombination mit dem Angebot des Diabetescoachings. Enczmann: „Die Patienten verbleiben ganz normal in ihrer Behandlung, bekommen aber die Möglichkeit, zwischen den Arztbesuchen individuelle Fragen zu stellen.“ Die Patienten werden für das Projekt ein Jahr beobachtet. Ausgewertet werden medizinische Outcomes, aber auch welche Kosten für die Kasse entstehen, im Vergleich zu Patienten, die ohne das Coaching behandelt werden. Das Projekt sei fast abgeschlossen.
Deutlicher Widerspruch kam dazu von Dr. Keuthage: Hier greife eine Krankenkasse in die Behandlung ein. Das entsprechende Protokoll müsste öffentlich und transparent sein. „Und es sollte im Vorfeld mit anderen Playern im Markt, also mit Ärzten und Diabetesberatern diskutiert werden“, forderte er. Es gehe hier auch um Ressourcen des Gesundheitswesens, die nicht unendlich vermehrbar seien – das Geld fehle naturgemäß an anderer Stelle. Dem widersprach Enczmann: Weder die Barmer noch mySugr greife in die Therapiehoheit des Arztes oder der Diabetesberaterin ein. Und schließlich habe man es geschafft, der Kasse einen wirtschaftlichen Paket-Preis anzubieten. Die Kombination aus innovativer Versorgungslösung und Ressourcen schonendem Pricing habe schließlich zu dieser Partnerschaft geführt. Interessant werde sein, das nun auslaufende Projekt gemeinsam auszuwerten und Ableitungen zu treffen.
Kritik an der Rolle der Krankenkassen
Krankenkassen sind schon heute einer der wichtigsten Gestalter im Gesundheitswesen, ergänzte Ickrath. „Ohne eine Krankenkasse gibt es keine Finanzierung und es läuft nichts – das ist politisch so gewollt.“ Er zitierte aus einer aktuellen Roland-Berger-Studie, für die 400 Gesundheitsexperten aus Europa befragt worden waren. Dabei war die Mehrheit der Experten der Meinung, dass Krankenkassen in Zukunft Patienten Nachlässe auf den Beitrag anbieten werden, wenn diese den Kassen ihre Daten zur Verfügung stellen. „Und 68 % der Befragten sind der Ansicht, dass die Patienten auch darauf eingehen werden“, so Ickrath. Er sei gespannt, wie der Gesetzgeber darauf reagiere. Tatsächlich hätten die meisten Patienten überhaupt kein Thema mit dem Datenschutz. Auf diese Dynamik, die durch die Digitalisierung ausgelöst wurde, müsse man sich einstellen, sagte er.
Auch er habe zu den befragten Personen gezählt, berichtete Altpeter, jedoch bei der Frage zum Datenschutz abweichend geantwortet. Denn am Servicetelefon von TeLiPro würden Patienten immer wieder nachhaken, ob die erhobenen Daten von Krankenkassen gesehen werden. „Wir dürfen die Ängste einer Gruppe von Patienten nicht unterschätzen“, so Altpeter.
Eine grundsätzliche Kritik an der Rolle von Krankenkassen und Firmen äußerte Dr. Keuthage. Er sehe eine wichtige Regel im Gesundheitssystem in Gefahr: das Trennungsprinzip. Ärzte dürften selbstverständlich keine Produkte verkaufen und die Aufgaben von Medizinprodukte- und Schulungsanbietern dürften auch nicht vermischt werden. Beispielsweise dürfe er als Arzt keine Blutzuckermessgeräte kostenlos weitergeben oder Physiotherapeuten empfehlen. Dr. Keuthage: „Und es kann nicht sein, dass eine Krankenkasse darüber entscheidet, welches Blutzuckermessgerät herausgegeben wird.“ Dabei gehe es ihm nicht um den diskutierten Einzelfall, sondern er sehe andere Kassen genauso in der Pflicht. „Eigentlich müssten hier die Krankenkassen sitzen.“
Dem pflichtete unter anderem Enczmann bei, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass man beim Thema Digital Health noch in den Anfängen stecke und darum der Rahmen zum Ausprobieren von verschiedenen Modellen etwas weiter gehalten werden sollte.
Laut Prof. Kulzer sollte für das Coaching ein Kriterienkatalog definiert werden, ähnlich wie es bei der Schulung der Fall gewesen sei. So habe die Industrie bei der Schulung eine sehr eingeschränkte Rolle und die Einhaltung der Kritieren werde bei der Schulung vom Bundesversicherungsamt kontrolliert. „Genau da müssen wir beim Coaching hin, dass wir Spielregeln haben. Denn es geht um Themen, bei denen wir Datenschutz, eine Qualifikation und einen geordneten Prozess brauchen“, forderte Prof. Kulzer.
Regeln für digitale Gesundheitsanwendungen
Nach dem Eindruck von Dr. Schubert haben Ärzte Angst vor dem Verlust ihres Monopols. „Wir Ärzte glauben, es muss immer alles nur über uns laufen. Der Patient gehört uns aber gar nicht.“ Die Aufgabe sei nun, so gut zu sein, dass die Patienten nicht am Arzt vorbei kommen. Ickrath ergänzte: „Auch Ärzte sind nur Teil des Gesundheitswesens. Sie müssen darauf achten, in das Netzwerk des Patienten hineinzukommen.“ Ob sie wollten oder nicht, müssten sie mit den digitalen Angeboten konkurrieren. Auch aus Sicht von Olesen müsse man in der Beratung dafür offen sein, dass sich der Patient Informationen über Google, TheraKey oder mySugr hole: „Wir müssen in der Praxis ein Vertrauen schaffen, dass ein Patient dazu Fragen stellen kann – dann wird er auch kommen und mit uns darüber reden.“
Die Situation, dass Patienten immer mehr Möglichkeiten zur Auswahl haben, werde sich laut Altpeter infolge des DVG zwar verstärken, da dieses die digitalen Gesundheitsanwendungen (DIGA) pushe. Andererseits spiele der Arzt zukünftig über die Verordnung solcher Apps am Ende wieder eine wichtige Rolle. Er erwarte, dass auch Coaching-Anbieter aus den USA in den Markt eintreten werden.
An eine Euphorie in Sachen Gesundheitsapps sei angesichts des Referentenentwurfs der Verordnung zum DVG und DIGA nicht zu denken, merkte Ickrath an. Die Verfahrensordnung umfasse einen Fragenkatalog an die Hersteller von Gesundheitsapps von 122 Fragen, die abgearbeitet werden müssten, bevor das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) eine DIGA in die Verordnungsfähigkeit aufnehme oder nicht. „Ein großer Teil dieser Fragen betrifft den Datenschutz. Hinzu kommen unter anderem sehr technische Details, etwa zu Trackingtools, und das Verbot von Werbung“, sagte er. Auch eine Evaluierungsstudie werde gefordert. In der Szene bestehe schon fast Konsens, dass nur Firmen mit langfristiger Planung und ausreichender finanzieller Ausstattung in der Lage seien, nach diesen Kriterien Gesundheitsapps in den Markt zu bekommen.
Die Details zur Evaluierungsstudie sind laut Altpeter noch nicht geregelt. Für TeLiPro tanze man daher noch auf mehreren Hochzeiten und setze weiterhin auch auf Selektivverträge und die potenzielle Überführung von Projekten aus dem Innovationsfonds in die Regelversorgung. Enczmann berichtete, dass man die Kriterien des Referentenentwurfs der Rechtsverordnung derzeit genau prüfe.
Qualitätskriterien aus Sicht des VDBD
Boehm wies darauf hin, dass neben den DIGA weiter auch andere Apps auf den Markt kommen werden, die nicht über die Prüfung durch das BfArM laufen. Sie berichtete von Qualitätskriterien für ein telemedizinisches Diabetescoaching, die der VDBD kürzlich in einem Positionspapier festgehalten hat. Diese gelten etwa für ein Coaching, das mit einer App in Verbindung steht, oder mit entsprechenden Modifikationen für DIGA.
Zu den vom VDBD geforderten Qualitätskriterien gehören Transparenz und Datenschutz, eine Überprüfung der Evidenz und ein Nutzennachweis. Hinzu kommen umfangreiche Forderungen an die Qualifikation von Gesundheits- bzw. Diabetescoaches, um Patientensicherheit und Transparenz angesichts des nicht geschützten Begriffs „Coach“ zu gewährleisten. Dabei sei der „Mindestanspruch“ eine erfolgreich abgeschlossene dreijährige Berufsausbildung im Gesundheitswesen und eine Weiterbildung zur Diabetesberaterin DDG. Denn in dieser Weiterbildung würden das notwendige umfangreiche Wissen und unterschliedliche Formen der Gesprächsführung vermittelt. Eine Diabetesassistentin sei daher unter Umständen nicht die richtige Person für das Telecoaching, sagte Boehm.
Weitere Anforderungen an die Qualifikation sind der kontinuierliche Nachweis von Fortbildungspunkten, gegebenenfalls zusätzliche Ernährungsfortbildungen, falls notwendig spezifische Fortbildungen sowie nachweisliche Kompetenzen in der telemedizinischen Beratung. So habe das TeLiPro-Projekt für Menschen mit Typ-2-Diabetes, an dem der VDBD beteiligt ist, gezeigt, dass die Telefonberatung spezielle Fertigkeiten erfordere, so Boehm. „Man muss viel schneller erfassen, was das Problem des Patienten ist und viel schneller reagieren.“
Die Abgrenzung zur Diabetesassistentin sah etwa Ickrath kritisch, da es auch gute, erfahrene Diabetesassistinnen gebe. Die Hürden sollten daher nicht zu hoch gelegt werden. Auch Olesen äußerte sich, dass die Berufserfahrung in der Beratung und nicht der Titel zählen solle. Olesen: „Ein Verband der beide Berufsgruppen unterstützt, darf eigentlich nicht die eine Berufsgruppe herausnehmen.“ Der richtige Weg sei, ein Curriculum festzulegen, an das sich alle halten müssen. Dem pflichtete Boehm grundsätzlich bei und zeigte sich offen für eine Anpassung des Positionspapiers: Wenn eine Diabetesassistentin Berufserfahrung habe und Fortbildungsnachweise geliefert würden, könne „man sicherlich noch einmal darüber reden“.
Umfangreiche Qualitätskriterien aus der DDG
Von einem Positionspapier zum Thema Diabetescoaching aus der Kommission Digitalisierung der DDG berichtete Ickrath. Das Papier wurde bereits an den DDG-Ausschuss Qualitätssicherung, Schulung und Weiterbildung (QSW) weitergeleitet, der sich nun damit befassen werde. Die Punkte aus dem VDBD-Positionspapier zur Strukturqualität sehe man in der Kommission Digitalisierung genauso.
Darüber hinaus wurden im DDG-Entwurf weitere Kriterien des Qualitätsmanagements berücksichtigt: „Das heißt, ein qualitativ hochstehendes Diabetescoaching sollte sich in Bezug auf die Strukturqualität, Prozessqualität und die Ergebnisqualität bewerten lassen.“
So gehört zur Strukturqualität laut Ickrath ein Curriculum. Entsprechend der von Prof. Kulzer gelieferten Definitionen sei dabei eine Zertifizierung des Curriculums und die klare Abgrenzung zur Schulung wichtig. Ebenso die Grenze, ab der ein Anbieter eines Diabetescoachings bei entsprechendem Anlass an einen Psychotherapeuten oder Arzt verweisen muss. Vorgeschlagene Inhalte des Curriculums sind beispielsweise Depressionen, Sexualität, Adhärenzprobleme und die digitale Kompetenz. Und natürlich müssten auch die sehr unterschiedlichen Coachingbedürfnisse bei Typ-1- oder Typ-2-Diabetes in Abhängigkeit vom Alter und den Bildungsstufen berücksichtigt werden. Da z.B. für die Videosprechstunde eine andere Didaktik, Körpersprache und Rhetorik als bei persönlichen Kontakten erforderlich sei, wurden im Papier auch sogenannte „telemedizinische Kompetenzen“ aufgenommen.
Die juristischen Rahmenbedingungen sind beim Diabetescoaching absolut zu berücksichtigen, unterstrich auch Ickrath. „Ein absolutes No-Go ist die Therapieempfehlung!“ Er frage sich, wie etwa die Techniker Krankenkasse, die ein Diabetescoaching bewusst ohne den Arzt anbiete, da die Grenze ziehe. Des Weiteren wird im Kommissionsvorschlag auch auf die gesetzlichen Vorgaben bei Haftung, Schweigepflicht und dem Umgang mit digitalen Patientendaten hingewiesen. „Wenn ein Arzt beispielsweise ein Diabetescoaching anbietet, was für uns conditio sine qua non ist, muss man eigentlich auch eng mit einem Datenschutzexperten zusammenarbeiten.“
In der VDBD-Stellungnahme vermisst habe er einen Hinweis auf eine angemessene Bezahlung und Honorierung von Diabetesberaterinnen, die ein telemedizinisches Diabetescoaching übernehmen, sagte Ickrath. Laut DDG-Vorschlag ist es Aufgabe der Ärzte bzw. des Betreibers dafür zu sorgen, dass die Digitalisierung etablierte Vergütungsstrukturen nicht aushebelt. Tatsächlich hat der VDBD hier nachgearbeitet: In einer nach der DiaTec-Fortbildung revidierten Fassung ist nun auch die Forderung nach adäquaten „Rahmenbedingungen und der Vergütung für neue Handlungsfelder von Gesundheitsfachkräften“ enthalten. Die Vergütung sei so aufzusetzen, dass inhaltlich und monetär attraktive Tätigkeitsfelder für Gesundheitsfachkräfte entstehen.
Kommissionsvorschläge zur Prozess- und Ergebnisqualität
Um eine gute Prozessqualität zu gewährleisten, sollte das Coaching einfach und kundenfreundlich sein, damit es dem Netzwerk- und Komfortwunsch der Patienten gerecht werde. Außerdem müsse transparent sein, wer der Anbieter ist. Der Kommissionsvorschlag enthält die Forderung nach einer Anbindung an die ärztliche Seite bzw. einem ärztlichen Board, so Ickrath. „Wir denken, dass ein Diabetescoaching ohne Anbindung an die ärztliche Seite unmöglich ist. Und es muss bei jedem Anbieter, der von der DDG zertifiziert werden will, einen ärztlichen Auftraggeber und Supervisor geben.“
Coaches müssten kontinuierlich trainiert und angeleitet werden. Der Entwurf sieht die Anbindung des Coachings an eine Gruppe von Diabetologen vor, nicht an einzelne Diabetologen, um die Verbreitung von „Außenseiterpositionen“ in der Diabetologie zu vermeiden. Wird eine Videosprechstunde angeboten, sollte für die Telemedizin-Infrastruktur auf einen der von der KBV zertifizierten Anbieter zugegriffen werden, da diese alle den Datenschutzstandards entsprechen. Langfristig geht Ickrath davon aus, dass solche Coachings in die Telematik-Infrastruktur eingebunden werden, also in die elektronische Patientenakte bzw. in die darin zu implementierende elektronische Diabetesakte DDG.
Zur Ergebnisqualität verweist der Kommissionsvorschlag auf die Erstattungsfähigkeit nach der DIGA-Verordnung und die darin vorgesehene Nutzenbewertung nach einem Jahr: Zwar sei noch unklar, welchen Evidenzgrad entsprechende wissenschaftliche Studien zum Nutzennachweis haben müssen. Eine Beobachtungsstudie, um etwa Funktionalialität und Coaching-Erfolg zu bewerten, sowie Methoden zum „patient reported outcome“ dürften jedoch an Bedeutung gewinnen.
Breiter Konsens zum Entwurf im Roundtable
Die Experten des Roundtables begrüßten unisono den Kommissionsvorschlag zu Qualitätskriterien für das Diabetescoaching. Dieser müsse nun weiter diskutiert und veröffentlicht werden. „Das geht genau in die richtige Richtung“, unterstrich Prof. Kulzer. Das Statement sei „sehr wertvoll“ und er fände es großartig, wenn Anbieter wie mySugr diese Kriterien erfüllen würden, so Dr. Keuthage. Und Dr. Schubert pflichtete bei: „Bei der Diskussion der Qualitätskriterien sind wir relativ eng beieinander – da geht es fast nur noch um Feinheiten.“ Von TeLiPro werde bereits vieles umgesetzt, berichtete Altpeter.
„Ich glaube, wir haben zwei Drittel abgehandelt und ich kann dementsprechend bestätigen, dass dies zur Qualitätssicherung hilft.“ Er unterstrich aus Sicht der DITG den Stellenwert der Berufserfahrung – Personen, die bereits in einer Praxis oder im Klinikumfeld gearbeitet haben, hätten eine ganz andere Kompetenz in der Begleitung der Patienten als Personen, die nur in Callcentern gearbeitet haben.
An welchen Qualitätskriterien für das Coaching sich mySugr orientiert, erläuterte Enczmann. Er begrüßte die Kriterien für das telemedizinische Coaching aus dem VDBD-Statement. Enczmann: „Wir sind ziemlich in Einklang mit den dort gestellten Forderungen an ein qualitativ hochwertiges Coaching.“ Man habe ein kleines Team angestellter Diabetesberaterinnen aus Deutschland, die alle VDBD-Mitglieder mit jahrelanger Praxiserfahrung seien, sowie einen Arzt. Mit diesem und einem Headcoach werden die Inhalte für das Curriculum erstellt. Darüber hinaus beschäftige man sich zur Zeit intensiv mit den vom im DVG geforderten Qualitätskriterien. Die Vorschläge der Kommission Digitalisierung werde er sich noch im Detail anschauen, sobald diese veröffentlicht sind. Darüber hinaus betonte er die Bedeutung des technischen Unterbaus in Bezug auf Datenschutz und Datensicherheit.
Insbesondere der Datenschutz gehöre zu den sensibelsten Themen der letzten Jahre, bestätigte Bollessen. Dementsprechend sei es ein Glücksfall für TheraKey gewesen, dass man hierfür mit Partnern wie dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie zusammenarbeite. Bollessen: „Auch das Produkt braucht gewisse Kriterien.“ Um eine gesicherte Qualität zu erreichen, hole man sich außerdem Unterstützung von Fachverbänden.
Klare Grenze zur Therapieempfehlung
Einigkeit bestand ebenfalls in Bezug auf mögliche Therapieempfehlungen. Angebote, die nicht vom Arzt erbracht werden, könnten kein therapeutisches Coaching sein, so Enczmann. Die Regeln seien klar und zementiert.
„Wir sind nicht in der Situation, dass wir in die Behandlung eingreifen dürfen“, erinnerte Olesen aus Sicht von Diabetesassistentinnen bzw. -Beraterinnen. Das bestätigte auch Boehm: Wenn sie in der Schulung etwa über Insulindosierungen spreche, verweise sie die Patienten daher auf das Titrationsschema des Arztes – im Sinne einer Selbsthilfe. Denn sonst würde sie dafür letztlich die Delegation vom Arzt benötigen. Für externe Diabetescoaches sei das eine Gratwanderung: „Coaches, die außerhalb einer Praxis freiberuflich tätig sind, müssen wissen, wo ihre klare Grenze ist, ab der sie dem Patienten sagen, dass er den Arzt kontaktieren soll.“
Dr. Keuthage plädierte dafür, in Bezug auf den therapeutischen Effekt einer Beratung, nach Diabetes Typ 1 und Typ 2 zu unterscheiden. „Bei Typ-1-Diabetes ist jede Ernährungs- und Bewegungsanpassung automatisch Therapie. Das muss anderen Kriterien unterliegen als bei einem Patienten mit Typ-2-Diabetes, der mit oralen Antidiabetika behandelt wird, die keine Hypoglykämien verursachen.“
Ein Patient mit Typ-1-Diabetes sollte daher von einer Diabetesberaterin betreut werden, was auch in den Strukturverträgen so hinterlegt ist, sagte Dr. Keuthage. Aus seiner Sicht sei daher der Begriff Coaching für diese Patienten eigentlich überflüssig – er schlug als Alternative die Formulierung „digital unterstützte Einzelschulung“ vor.
Ein DDG-Zertifikat für Coachingangebote als Ziel
Ickrath hofft nun auf eine weitere Abstimmung und Verbesserung des Kommissionsvorschlags im Ausschuss QSW sowie dem VDBD und BVND. Ein Wunsch sei, irgendwann eine DDG-Zertifizierung beispielsweise durch den QSW zu erreichen. Mit einem solchen Benchmark, schloss Ickrath, sei die Diabetologie dann gut aufgestellt, um unseriöse Anbieter von Coachingangeboten auch mal abwehren zu können.