Immer mehr resistente Gonokokken – Neue Meldepflicht in Deutschland
Die Gonorrhö ist mit mehr als 100.000 gemeldeten Fällen im Jahr 2018 die zweithäufigste sexuell übertragbare Krankheit in der EU. Sie kann sich in Form einer Urethritis, Pharyngitis oder Proktitis bis hin zu einer disseminierten Infektion manifestieren. In der Folge drohen chronische Entzündungen des kleinen Beckens mit Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten und extrauterinen Schwangerschaften.
Die Bedrohlichkeit der Erkrankung verschärfte sich innerhalb der letzten Jahrzehnte dadurch, dass der Erreger Neisseria gonorrhoeae zunehmend Resistenzen gegen Penicilline, Tetracycline, Makrolide, Fluorchinolone und seit einiger Zeit auch gegen Cephalosporine der dritten Generation entwickelt, darunter das Erstlinientherapeutikum Ceftriaxon. Auch Multiresistenzen werden häufiger.
Vor diesem Hintergrund forderte die WHO die Länder weltweit auf, das Monitoring von Gonokokken zu intensivieren. Da in Deutschland bisher eine bundesweite Meldepflicht fehlte, kann die Inzidenz nur geschätzt werden. In Sachsen, wo seit 2001 eine Meldepflicht besteht, sind innerhalb von 20 Jahren die Gonokokkeninfektionen um das Zehnfache angestiegen. Auch wenn dies teilweise durch eine verbesserte Diagnostik zu erklären ist, muss man von einer Zunahme ausgehen, wie sie auch in anderen EU-Ländern beobachtet wird.
Nicht-namentliche laborbasierte Meldepflicht
In Deutschland sammelt das Gonokokken-Resistenz-Netzwerk (GORENET) seit 2014 in Zusammenarbeit mit dem RKI, dem Konsiliarlabor für Gonokokken und einem Labornetzwerk Daten zur Resistenz von eingesendeten Isolaten. Gegen Ciprofloxacin waren 2018 mehr als 50 % der Isolate resistent. Aber es gab auch bereits Resistenzen gegen die drei als Antibiotika der ersten Wahl empfohlenen Substanzen Azithromycin, Cefixim und Ceftriaxon.
Um Antibiotikaresistenzen von N. gonorrhoeae noch besser zu erfassen, wurde in Deutschland ab dem 1. März 2020 eine nicht-namentliche laborbasierte Meldepflicht eingeführt. An das RKI innerhalb von 14 Tagen zu melden sind alle Isolate, die gegen eines der drei empfohlenen Antibiotika vermindert empfindlich oder resistent sind (für Ceftriaxon und Cefixim MHK ab 0,125 mg/L, für Azithromycin ab 0,75 mg/L). Die behandelnden Ärzte sind verpflichtet, die Meldung mit klinischen und epidemiologischen Angaben zu ergänzen. Die Meldebögen des RKIs ähneln denen für Syphilis und HIV.
Ein oranges Blatt mit Informationen zur untersuchten Person und dem Ergebnis der Resistenztestung gegen fünf Antibiotika (Azithromycin, Cefixim, Ceftriaxon, Ciprofloxacin und Penicillin) füllt das meldende Labor aus und sendet es an das RKI. Ein Durchschlag (lila Blatt) verbleibt beim Labor.
Der Arzt erhält das gelbes Blatt. Auf diesem ergänzt er die Eintragungen des Labors u.a. mit Angaben zur klinischen Symptomatik (inkl. Zeitpunkt und Verlauf der Infektion), zu Abstrichregion, aktueller Therapie, antibiotischer Vorbehandlung, zur klinischen Beurteilung, sowie zu vorhandenen Koinfektionen, zum wahrscheinlichen Infektionsweg und zu möglichen Kontaktpersonen. Dieses Blatt übermittelt der Arzt ebenfalls zurück ans RKI. Auch von diesem Dokument verbleibt ein Durchschlag (weißes Blatt) vor Ort in der Praxis.
Die Resistenzanteile werden im Konsiliarlabor für Gonokokken aus den dort eingesendeten Isolaten ermittelt und lassen sich dann auf Basis der gemeldeten Daten auf ganz Deutschland hochrechnen.
Quelle: Selb R et al. Robert Koch-Institut. Epid Bull 2020; 10: 6-12; DOI: 10.25646/6525