Sexuell übertragbare Erkrankungen sind häufiger als mancher denkt
Sexuell übertragbare Infektionen (STI) sind in Deutschland auf dem Vormarsch: Ein erheblicher Teil der sexuell aktiven Jugendlichen und jungen Erwachsenen leidet an einer asymptomatischen Infektion mit Chlamydia trachomatis oder Neisseria gonorrhoeae, schreiben Privatdozentin Dr. Adriane Skaletz-Rorowski und ihre Kollegenvom WIR (Walk in Ruhr), dem Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin in Bochum. In Zusammenarbeit mit verschiedenen anderen Institutionen wie der Interdisziplinären Immunologischen Ambulanz der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum bietet das Zentrum Beratung rund um das Thema sexuelle Gesundheit, Diagnostik und Therapie an.
Die Wissenschaftler befragten 272 sexuell aktive Personen im Alter zwischen 14 und 31 Jahren zu ihrem Geschlechtsverhalten und ihrem Wissen über STI, mehr als die Hälfte studierte. Ferner unterzogen sie die bei den Teilnehmern oral, vaginal und anal (Frauen) bzw. oral und anal entnommenen Abstrichproben sowie Urin (Männer) einem Schnelltest auf Chlamydien und Neisserien.
47 % der Befragten waren Männer, die Sex mit Männern hatten. Knapp jeder zweite Mann und jede dritte Frau gaben an, Analsex zu haben, 90 % berichteten über Oralverkehr. Während die meisten jungen Menschen gut über HIV, Syphilis, Gonorrhö und Chlamydien informiert waren, bestanden im Hinblick auf andere STI wie Trichomoniasis teilweise große Wissenslücken. Die meisten Befragten berichteten, keine Beschwerden zu haben, 13 % gaben unspezifische Beschwerden an, die sie jedoch nicht auf eine STI zurückführten.
2 % hatten sowohl Chlamydien als auch Gonokokken
Die Prävalenz von Chlamydieninfektionen bzw. der Gonorrhö betrug im Studienkollektiv 7,7 bzw. 5,5 %, wobei in einem erheblichen Anteil der Fälle extragenitale Manifestationen vorlagen und eine Gonorrhö bei den männlichen Teilnehmern deutlich häufiger vorkam. Knapp 2 % hatten eine Doppelinfektion mit Chlamydien und Gonokokken. Rund 92 % der Infizierten wurden innerhalb von 24 h über das positive Testergebnis informiert und im Median vergingen zwischen der Testung und dem Therapiebeginn 6 h und 50 min.
Auch wenn die Mehrheit der Teilnehmer angab, sich zumindest meistens mit einem Kondom zu schützen (4 % nie, 35 % oft), war nur etwas mehr als der Hälfte bewusst (58,5 %), dass die Präservative nicht vor allen STI schützen. 4 % der Teilnehmer kannten sich mit möglichen Präventionsmaßnahmen überhaupt nicht aus.
Angesichts der zunehmenden STI-Problematik in Deutschland fordern Dr. Skaletz-Rorowski und ihre Kollegen dazu auf, weitere interdisziplinäre Zentren wie das WIR ins Leben zu rufen, um die Versorgung und Information der Bevölkerung zu verbessern.
Quelle: Skaletz-Rorowski A et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2020; 35: 241-246; DOI: 10.1111/jdv.16913