Chemsex zwischen der Suche nach Nähe, Befriedigung und Abhängigkeit
Beim Chemsex sollen Drogen das sexuelle Erleben steigern und dank ihres anästhetischen Effekts die „Aktivitäten“ über ein ganzes Wochenende ermöglichen, berichtete Dr. Markus Gertzen von der Universitätsmedizin Augsburg. Sexuelle Befriedigung ist aber keineswegs immer die Hauptmotivation für die Einnahme der Substanzen. Nach Erfahrung von Privatdozent Dr. Tobias Rüther, Universität München, zählt für viele die mit Chemsex erlebte Nähe zu anderen, die in dieser Art vorher noch nie erreicht wurde. Manche wollen auch ihrem Alltag entfliehen und „alles vergessen“, ergänzte Dr. Gertzen, der in München am Aufbau der Ambulanz für sexualisierten Substanzgebrauch beteiligt war. Und dann gebe es jene, die sich einer besonderen Gruppe zugehörig fühlen möchten.
Orgiastischer Zustand führt rasch in die Abhängigkeit
Aber ganz gleich, was die Konsumenten antreibt – harmlos ist Chemsex nicht, mahnte er. Das vergleichsweise einfache Erreichen eines entspannten oder orgiastischen Zustands führt schnell in die Abhängigkeit. Dies gilt für intravenös konsumierte Drogen noch mehr als für oral oder anal eingenommene.
Von anal bis intravenös
Stationärer Entzug in drei Phasen
In Hürth bei Köln gibt es bereits eine stationäre Rehabilitationseinrichtung für MSM mit abhängigem Chemsex-Konsummuster. Die Behandlung beinhaltet in einer ersten Phase der Stabilisierung den sogenannten „Reizschutz“, also eine sexuelle Abstinenz. Zumindest über eine gewisse Zeit soll auch keine Pornografie genutzt werden. Wichtig ist, den Substanzkonsum vom Sex zu entkoppeln und sich einer substanzfreien Sexualität anzunähern. In der zweiten Phase erfolgt die „Exposition“ und ab dem 29. Behandlungstag eine „Realitätsüberprüfung“ am Wochenende im Lebensumfeld.Gruppensex im Lockdown weniger gefragt
Kongressbericht: DGPPN-Kongress 2020 – digital (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde)