Initiativen zum Rauchstopp verpuffen in Deutschland
Deutschland ist das einzige EU-Land, in dem Außenwerbung für Tabakprodukte noch erlaubt ist“, konstatierte Professor Dr. Daniel Kotz vom Institut für Allgemeinmedizin der Universität Düsseldorf. Im Vergleich zu 35 europäischen Nachbarn lag die Bundesrepublik bei der Umsetzung von Tabakkontrollmaßnahmen 2016 an vorletzter Stelle. Übertrumpft nur von den Österreichern, die gerade das Rauchverbot in Gastwirtschaften gelockert haben.
Auch wenn mancher Politiker das Gegenteil behauptet: Tabakkontrollinitiativen wie Steuererhöhungen, Warnhinweise oder neue Gesetze werden hierzulande nur unzureichend finanziert. Auf der anderen Seite übt eine Industrie mächtig Druck aus, der effektiven Maßnahmen entgegensteht, schallen die Experten der Association of European Cancer Leagues.
Kombination verspricht am ehesten Erfolg
Die von den Leitlinien empfohlenen Schritte zur Unterstützung eines Rauchstopps greifen kaum, führte Prof. Kotz aus. Dazu zählen:
- verhaltenstherapeutische Ansätze, z.B. Kurzberatung, Einzel- oder Gruppeninterventionen und telefonische Beratung sowie
- Maßnahmen auf pharmakologischer Basis, etwa primäre Nikotinersatztherapie, Bupropion oder Vareniclin.
Den Ergebnissen eines Cochrane Reviews ist beispielsweise zu entnehmen, dass die Kombi beider Ansätze bei rauchenden COPD-Patienten am ehesten Erfolg verspricht.
In einer Umfrage unter mehr als 12 000 Rauchern gaben rund 28 % an, im vergangenen Jahr versucht zu haben, vom Glimmstängel loszukommen. Fast jeder Zehnte griff dabei zur E-Zigarette, einer nicht ganz unumstrittenen Methode, befürchten Experten. Sie könnte zu einer Renormalisierung des Rauchens führen. Ärztliche Kurzberatung nahmen 6,1 %, eine pharmakologische Therapie 7 % der Befragten in Anspruch. „Gerade einmal 12,5 % haben bei ihrem Rauchstoppversuch eine evidenzbasierte Methode benutzt“, betonte Prof. Kotz. „In England ist es mehr als die Hälfte!“
Dort wurden inzwischen fast flächendeckend sogenannte „Stop Smoking Services“ eingerichtet – niedrigschwellige Anlaufstellen für alle, die mit dem Rauchen aufhören möchten. Verhaltenstherapeutische sowie pharmazeutische Unterstützung erhalten die Ratsuchenden dabei kostenfrei.
Gerade jene Methoden, deren Nutzen wissenschaftlich belegt ist, müssten auch in Deutschland erstattet werden, forderte der Allgemeinmediziner. Besonders wichtig sei das, um sozialschwache Gruppen zu erreichen. In der Umfrage hatte sich gezeigt, dass Sozialstatus und Tabakkonsum Hand in Hand gehen: Je niedriger Schulabschluss und Einkommen, desto höher der relative Anteil rauchender Personen.
Ein Jahr Rauchen kostet drei Monate Lebenszeit
Im Übrigen mag der Bruch mit der Sucht so ganz ohne therapeutische bzw. medikamentöse Hilfe ehrenwert sein. Eine Chance auf langfristigen Erfolg hatten in der Studie aber nur die wenigsten (3–5 %). Angesichts der Folgen – ein Jahr Rauchen kostet drei Monate Lebenszeit – bleibe es aus Sicht des Referenten unverständlich, weshalb die pharmakologischen Angebote hierzulande nicht übernommen werden.
Quelle: Kongressbericht, 50. Bad Reichenhaller Kolloquium