COPD und Asthma Kein Verlass auf Alpha-1-Antitrypsin
COPD- und Asthmapatienten sollten zumindest einmal im Hinblick auf einen Alpha-1-Antitrypsinmangel gescreent werden. Das fordern u.a. WHO und ERS*. Am häufigsten wird dafür das Alpha-1-Antitrypsin (AAT) im Serum gemessen. Ist der Wert erniedrigt, folgt eine molekulargenetische Analyse zum Nachweis verschiedener Mutationen.
Doch dieser Ansatz ist problematisch, schreiben Dr. Annie Haillot von der Universitätsklinik Québec, Kanada, und Kollegen. Zum einen hängt der Serumspiegel vom Genotyp des Patienten ab: Manche heterozygote Konstellationen (z.B. SZ, MZ) können mit AAT-Serumspiegel einhergehen, die von denen bei „normaler“ Allelkonstellation (MM) nicht zu unterscheiden sind. Dies könnte das Risiko, eine AAT-vermittelte Krankheit zu entwickeln, kaschieren. Zum anderen ist AAT ein Akutphaseprotein, dessen Spiegel im Rahmen von Entzündungsprozessen, Infektionen und Traumata auf mehr als das Doppelte ansteigen kann, was vor allem bei Patienten mit mittelschwerem AAT-Mangel potenziell in die Irre führt.
Ob auch eine intra-individuelle Variabilität der AAT-Werte die Diagnostik erschwert, prüften die Autoren bei 255 ambulanten COPD-Patienten. Innerhalb von vier Jahren wurde bei ihnen zweimal AAT im Serum bestimmt. Zwar korrelierten die beiden Messwerte jeweils signifikant miteinander, doch war die Übereinstimmung schwach. Unter der Voraussetzung, dass ein Spiegel < 1,13 g/L weiter abzuklären ist, führten diskrepante Messergebnisse in 22 % der Fälle zu Folgeuntersuchungen. Die Variabilität war weder dem Labor noch den Patientencharakteristika geschuldet.
Bei Patienten mit schwerem AAT-Defizit spielt die Beobachtung der intra-individuellen Variabilität keine Rolle, da ihre Werte deutlich unter 1,13 g/L liegen und damit die weiteren diagnostischen Konsequenzen klar sind. Relevant ist sie aber für Patienten mit mittelschwerem Mangel. Bei ihnen werden häufig grenzwertige oder sogar normale Serumspiegel gefunden. Dennoch haben sie als Raucher ein erhöhtes COPD-Risiko, dem man präventiv begegnen könnte. Zudem gibt es einen Zusammenhang mit extrapulmonalen Erkrankungen wie ANCA-assoziierte Vaskulitis, Leberzirrhose und Gallensteine.
Um die Diagnostik zuverlässiger zu gestalten, plädiert die Autorengruppe dafür, zusätzlich zur AAT-Messung prinzipiell DNA-Sequenzierungen durchzuführen und diesen Ansatz in einer prospektiven Studie zu prüfen.
* European Respiratory Society
Quelle: Haillot A et al. Chronic Obstr Pulm Dis 2021; 8: 464-473; DOI: 10.15326/jcopdf.2021.0228