Anginabeschwerden nach STEMI Komplette Sanierung unnötig
Bei Infarktpatienten mit Mehrgefäßerkrankung schützt die Revaskularisation sämtlicher Stenosen zweifellos vor erneuten vaskulären Ereignissen. Unklar war bisher allerdings, ob dieses gründliche Vorgehen auch die Angina-pectoris-Beschwerden günstiger beeinflusst als eine Beschränkung auf die schuldige Gefäßverengung.
Ein international zusammengesetztes Forscherteam versuchte nun, diese Frage mit einer erneuten Auswertung der COMPLETE-Studie zu klären. Eingang in die Analyse fanden 4.041 Patienten mit ST-Hebungsinfarkt. Randomisiert erhielt eine Hälfte der Teilnehmer eine komplette Revaskularisation, bei der anderen Hälfte wurde nur die auslösende Stenose geweitet, so Dr. Shamir Mehta von der McMaster Universität im kanadischen Hamilton und Kollegen.
Der Einfluss der Intervention auf die Herzschmerzen wurde mithilfe des Seattle Angina Questionnaire Angina Frequency Scores (SAQ-AF) erfasst. Dieser reicht von 0 Punkten (tägliche Symptome) bis zu 100 Punkten (keine Angina pectoris). Im komplett revaskularisierten Kollektiv stieg der SAQ-AF-Wert innerhalb der dreijährigen Studienphase um 9,9 Punkte, wenn nur die ausschlaggebende Läsion geweitet wurde, waren es 8,9 Punkte.
Insgesamt wurden 87,5 % der Teilnehmer mit vollständiger Revaskularisation von ihren Herzschmerzen befreit. Mit der ausschließlichen Behandlung der zugrunde liegenden Stenose erreichten 84,3 % dieses Ziel, also gerade einmal 3,2 % weniger. Dieser Nutzen wurde überwiegend bei Patienten erzielt, deren „unschuldige“ Läsionen einen hohen Schweregrad von mindestens 80 % aufwiesen. Somit konnte gezeigt werden, dass mit der kompletten Gefäßsanierung nur ein geringfügig größerer Anteil der Patienten nicht mehr an einer Angina pectoris litt. Dieser bescheidene Benefit wurde zusätzlich zur bereits bekannten Prophylaxe weiterer Gefäßereignisse erzielt.
Quelle: Mehta SR et al. JAMA Cardiol 2022; DOI: 10.1001/jamacardio.2022.3032