Behandlungsresistenz Mit der Epilepsietherapie in der Sackgasse

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Auch die biologischen Ursachen spielen bei der therapieresistenten Epilepsie eine Rolle. Auch die biologischen Ursachen spielen bei der therapieresistenten Epilepsie eine Rolle. © Berit Kessler – stock.adobe.com

Mit jedem gescheiterten Versuch, epileptische Anfälle medikamentös unter Kontrolle zu bringen, sinken die Chancen auf einen Behandlungserfolg. Experten erklären, wie man die Therapieresistenz erkennt und ihr begegnet.

Obwohl weltweit mehr als 30 verschiedene Antiepileptika zur Verfügung stehen, bleibt die pharmakologische Therapie bei rund einem Drittel der Patienten mit Epilepsie erfolglos. In einer Übersichtsarbeit haben Wissenschaftler um Prof. Dr. ­Emilio ­Perucca von der University of Melbourne jetzt die neuesten Erkenntnisse zur therapieresistenten Epilepsie zusammengetragen, um darauf basierend Möglichkeiten der Vorhersage, Prävention und Behandlung aufzuzeigen.

Laut Definition der International League Against Epilepsy (ILAE) von 2010 besteht eine Therapieresistenz, wenn nach adäquaten Behandlungsversuchen mit zwei Antiepileptika in Mono- oder Kombinationstherapie keine anhaltende Anfallsfreiheit erzielt werden kann. Voraussetzung ist, dass die jeweilige Medikation angemessen ausgewählt und angewendet wurde (u.a. richtige Dosierung, Adhärenz) und der Patient sie vertragen hat. Weiterhin ist zu beachten, dass auch ein ungesunder Lebensstil bzw. die Exposition gegenüber Auslösern von Krampfanfällen (z.B. Schlafmangel, Alkoholmissbrauch) zu suboptimalen Behandlungsergebnissen führen kann. In diesem Fall spricht man auch von Pseudotherapieresistenz.

Zu den Faktoren, die in Studien am häufigsten mit therapieresistenter Epilepsie in Verbindung gebracht werden konnten, gehören:

  • junges Alter bei Krankheitsbeginn
  • fokale oder multiple Anfallstypen
  • hohe Anfallshäufigkeit zu Krankheitsbeginn
  • abnormale Diagnostik (neurologische Untersuchung, EEG oder bildgebende Verfahren)
  • symptomatische Epilepsie
  • psychiatrische Komorbiditäten (v.a. Depression)

Eine besondere Rolle spielen Epilepsiesyndrome und ihre biologischen Ursachen. So zeigen sich Patienten mit entwicklungsbedingten und epileptischen Enzephalopathien häufig schon von Beginn der Erkrankung an behandlunsgsresistent, ebenso Betroffene mit Syndromen, die mit einer fortschreitenden neurologischen Verschlechterung einhergehen. Das Risiko für Therapieresistenz ist auch erhöht, wenn die Epilepsie auf kortikale Fehlbildungen oder schwere traumatische Hirnverletzungen zurückgeht.

Bei einigen fokalen Epilepsiesyndromen (z.B. mesiale Temporallappenepilepsie mit Hippocampussklerose) ist eine Behandlungsresistenz zwar ebenfalls verbreitet, die Patienten können aber zumindest vorübergehend auf Antiepileptika ansprechen. Seltener dagegen sind Arzneimittelresistenzen bei selbstbegrenzten fokalen Epilepsien im Säuglings- und Kindesalter und bei idiopathischen generalisierten Epilepsien

Seit einigen Jahren wird intensiv nach möglichen Biomarkern für eine Therapieresistenz geforscht, einschließlich biochemischer Anzeichen für Neuroinflammation, genetischer und epigenetischer Merkmale. Bislang hat sich jedoch noch kein Marker in der klinischen Entscheidungsfindung bewährt.

Nach aktuellem Wissensstand lässt sich die Wahrscheinlichkeit für eine therapieresistente Epilepsie am besten mithilfe multivariater Prognosemodelle vorhersagen, die eine Vielzahl von Risikofaktoren berücksichtigen. In einer großen Studie von 2018 ließ sich das Risiko für eine Behandlungsresistenz mithilfe eines maschinellen Lernmodells etwa zwei Jahre vor dem Versagen der zweiten Therapie korrekt einschätzen.

Um das Auftreten behandlungsresistenter Formen der Erkrankung zu verhindern, ist eine verbesserte Primärprävention der Epilepsie nötig, schreiben die Autoren. Als wirksame Maßnahmen nennen sie eine verbesserte pränatale Betreuung, Impfungen, eine gesündere Lebensweise und Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung von traumatischen Hirnverletzungen.

Treffen die oben genannten ILAE-Kriterien für eine therapieresistente Epilepsie zu, sollte man die Betroffenen nach Möglichkeit an ein spezialisiertes Zentrum überweisen. Dort wird die Diagnose in der Regel noch einmal überprüft und nach weiteren Möglichkeiten der Anfallskontrolle gesucht. Das sollte möglichst früh erfolgen, denn jede Verzögerung gefährdet den Behandlungserfolg und geht mit einem erhöhten Risiko für kognitive Behinderungen, Komorbiditäten und Sterblichkeit einher.

Ist die Ursache der Epilepsie bekannt, kann die Anfallskontrolle in einigen Fällen gezielt dort ansetzen. Das gilt z.B. für ketogene Diät bei einem Glukosetransporter-1-Defekt und eine Immuntherapie im Fall immunvermittelter Epilepsieformen. Darüber hinaus kann für manche Betroffene eine chirurgische Operation sinnvoll sein. Diese Maßnahme werde immer noch zu selten eingesetzt, obwohl für einige Epilepsieformen gute Evidenz vorliegt, so die Autoren. Nicht zuletzt bleibt der erneute Versuch einer medikamentösen Therapie eine Option. Grund zur Hoffnung geben in der Entwicklung befindliche Therapeutika wie krankheitsmodifizierende Medikamente.

Quelle: Perucca E et al. Lancet Neurol 2023; 22: 723-734; DOI: 10.1016/S1474-4422(23)00151-5