Optische Kohärenztomografie Der Epilepsie ins Auge geschaut
Die Epilepsie geht mit fortschreitender Neurodegeneration einher, die zu einer ausgeprägten Hirnatrophie führen kann, vor allem bei Patienten mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen. Die Atrophie korreliert mit dem Schweregrad der Erkrankung und lässt sich per MRT nachweisen. Um bei einer halben Million Epilepsiepatienten in Deutschland als Verlaufsparameter zu dienen, bindet die MRT jedoch zu viel Zeit und Ressourcen. „Bisher gibt es keinen sensitiven, klinisch praktikablen Marker der Krankheitsschwere“, konstatierte Luisa Delazer, Neurologische Klinik und Poliklinik der Universität München.
Die optische Kohärenztomografie (OCT) wird bereits bei der MS genutzt, um anhand der Nervenzellschichten der Retina Krankheitsaktivität, -schwere und -progression zu monitoren. Auch bei der Alzheimerdemenz und der Parkinsonkrankheit lässt sich mit der OCT das Fortschreiten der Neurodegeneration dokumentieren. Ihre Vorteile: Sie ist nicht-invasiv, kostengünstig, beliebig oft wiederholbar und dauert nur fünf Minuten.
Die Münchner Forscher haben 98 Epilepsiepatienten und 85 nach Alter und Geschlecht gematchte gesunde Kontrollen per OCT untersucht und bei allen geprüften Parametern signifikante Unterschiede zuungunsten der Epilepsiekranken gefunden, so bei der Dicke von peripapillärer Nervenfaserschicht und innerer Körnerschicht sowie dem Gesamtvolumen der Makula. „Bei Epilepsiepatienten kommt es zu einer signifikanten neuroaxonalen Degeneration in allen inneren Retinaschichten“, resümierte Delazer. Als Prädiktoren der retinalen Atrophie erwiesen sich männliches Geschlecht und höheres Lebensalter, die Zahl generalisierter Krampfanfälle und die Zahl aktuell eingenommener Antikonvulsiva sowie die Lokalisation der epileptogenen Hemisphäre links. Das korreliert mit bekannten Treibern der Krankheitsschwere.
Delazer und ihre Kollegen schließen daraus, dass die OCT als Instrument der Präzisionsneurologie sowohl dem individualisierten Krankheitsmonitoring als auch daraus folgend der Therapieoptimierung dienen kann. Jetzt muss geprüft werden, wie das Verfahren im Langzeitverlauf abschneidet.
Quelle: Neurowoche 2022