Akute Extremitätenischämie Nicht nur für Ältere eine Gefahr
Wie häufig die akute Extremitätenischämie ist, lässt sich aufgrund der vielschichtigen klinischen Präsentation nur schwer abschätzen. Während bei manchen Patienten die Symptomatik nur mild ausgeprägt ist, kommt es bei anderen zur akuten vollständigen, die Gliedmaßen bedrohenden Ischämie, berichten Prof. Dr. Sabine Steiner und PD Dr. Andrej Schmidt von der Klinik und Poliklinik für Angiologie am Universitätsklinikum Leipzig.
Große Extremitätenarterien sind nur selten betroffen
Alles in allem ist der plötzliche Verschluss einer größeren Extremitätenarterie eine seltene Erkrankung. Aktuellen Studiendaten zufolge dürfte die Inzidenz bei Patienten mit PAVK bei 0,8 pro 100 Patientenjahre liegen, schreiben die beiden Gefäßspezialisten. Als Risikofaktoren gelten unter anderem eine frühere periphere Revaskularisation, Vorhofflimmern und ein niedriger Knöchel-Arm-Index. Auch die Infektion mit SARS-CoV-2 kann Gerinnungsstörungen und damit verbundene thrombotische Komplikationen nach sich ziehen. Obwohl es sich meist um venöse Ereignisse handelt, sind auch ischämische Komplikationen im Zusammenhang mit arteriellen Thrombosen im Bereich der Extremitäten, des Gehirns, der Koronarien und der viszeralen Gefäße möglich.
Meist sind die Betroffenen älter als 70 Jahre und weisen typische kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Hypertonie, PAVK und Diabetes mellitus auf. Doch bis zu etwa 20 % der Fälle von COVID-19-assoziierter akuter Extremitätenischämie wurden bei jüngeren Personen beobachtet, ohne dass nennenswerte Vorerkrankungen oder arterielle Risikofaktoren vorlagen. Nicht ausgeschlossen waren Patienten unter prophylaktischer Antikoagulation.
Ein systematischer Review von 36 Publikationen mit zusammen 194 COVID-19-Patienten mit akuter Extremitätenischämie zeigte, wie schlecht das Outcome bei dieser Konstellation ist. So erhielt knapp jeder Fünfte aus der Kohorte aufgrund seines kritischen Zustands keine Revaskularisation, und die technische Erfolgsrate bei angestrebter Revaskularisation war mit 68 % ausgesprochen niedrig, die Mortalitätsrate dagegen mit 35 % hoch.
Bei Verdacht auf eine akute PAVK sollte umgehend der Knöchel-Arm-Index bestimmt werden und eine rasche gefäßmedizinische Untersuchung erfolgen. Bereits die initiale klinische Beurteilung des betroffenen Beins hat entscheidenden Einfluss auf die Prognose.
Das Vorgehen hängt von verschiedenen Faktoren ab
Bestätigt sich der Verdacht auf Arterienverschluss, ist in der Regel die sofortige Antikoagulation mit Analgesie angezeigt. Für die weitere Therapie sind Patienten mit akuter Extremitätenischämie am besten in einem Gefäßzentrum aufgehoben, wo minimal-invasive endovaskuläre sowie offen-chirurgische Revaskularisierungstechniken zur Verfügung stehen.
Das jeweilige Vorgehen hängt unter anderem von der Erfahrung, dem Fachwissen und der Ausstattung des behandelnden Teams ab. Weiter spielen Patientenfaktoren wie Dauer und Schweregrad der Ischämie, Ort und Ursache der Okklusion, Komorbiditäten und therapiebedingte Risiken eine Rolle.
Es gibt Hinweise darauf, dass die endovaskulären Techniken im Vergleich zu offenen Eingriffen die Sterblichkeit zu senken vermögen. Laut Prof. Steiner und Dr. Schmidt sind die Verfahren bei entsprechender Verfügbarkeit und technischer Machbarkeit sicher und effektiv. Bei manchen Patienten ist die Kombination aus offenen und endovaskulären Techniken sinnvoll.
Mittlerweile gibt es neben Kathetern für das manuelle Absaugen von Thrombusmaterial zahlreiche mechanische Geräte für die perkutane Thrombektomie. Diese können mit oder ohne zusätzliche medikamentöse Lyse eingesetzt werden. Manche Systeme ermöglichen auch die Entfernung von organisierten, subakuten Thromben. Eine lokale Thrombolyse lässt sich so vermeiden oder ist nur für kurze Zeit erforderlich, wodurch sich das Blutungsrisiko deutlich reduziert.
Thrombektomie und Thrombolyse kombiniert
In einem Fallbeispiel berichten Prof. Steiner und Dr. Schmidt vom guten Behandlungsergebnis bei einem 60-jährigen Patienten mit schwerer COVID-19-Pneumonie und akuter Extremitätenischämie. Die beiden Angiologen hatten sich für eine Kombination aus perkutaner mechanischer und manueller Thrombektomie sowie eine zusätzliche lokale Lyse entschieden. Anschließend leiteten sie eine Gerinnungshemmung mit NOAK ein. Vier Monate nach der Entlassung war der Mann bei kompletter Wundheilung frei von PAVK-typischen Beschwerden.
Quelle: Steiner S, Schmidt A. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 282-287; DOI: 10.1055/a-1927-8550