NSCLC: Onkologe plädiert für Mutationsanalyse vor Erstlinientherapie und im Rezidiv
Das fortgeschrittene nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) gilt als Prototyp für eine molekulare Therapiestratifizierung. Ziel ist es, Patienten mit einer Treibermutation durch eine mutationsbasierte Behandlung die bestmöglichen Chancen zu eröffnen. Voraussetzung dafür ist eine umfassende molekulare Testung mithilfe von Next Generation Sequencing.
Diagnostik nicht unnötig beschränken
Sie sollte bereits vor der Erstlinie sowie bei jedem Rezidiv durchgeführt werden, forderte Professor Dr. Jürgen Wolf vom Centrum für Integrierte Onkologie der Uniklinik Köln. Zudem dürfe man nicht nur auf die Mutationen zielen, die schon heute spezifisch angegangen werden können. Die molekulare Diagnostik solle auch solche Treibermutationen umfassen, deren therapeutische Relevanz erst noch bewiesen werden muss. Es gebe belastbare Daten, dass Patienten auch deshalb von einer umfassenden molekularen Testung prognostisch profitieren, weil sie in klinische Studien eingebracht werden können. Der Experte ging sogar noch einen Schritt weiter und sprach sich dafür aus, Patienten mit einer Treibermutation im Einzelfall off label zu behandeln, wenn die Substanz in den USA bereits zugelassen ist.
Immer mehr klinische Studien zum mutationsgerichteten Vorgehen ergeben beeindruckende Überlebenszeiten oder Therapieansprechraten von 70–80 %. Das Verträglichkeitsprofil der eingesetzten Substanzen ist in der Regel deutlich besser als das von Chemo- und Immuntherapeutika, so Prof. Wolf.
Er rät, die breite molekulare Testung im Krankheitsverlauf nach jedem Rezidiv zu wiederholen. Resistenzmechanismen würden so immer besser verstanden. Viele Daten deuten darauf hin, dass sich die genetische Zusammensetzung des Tumors unter der Behandlung verändert und dass das Karzinom in seiner Zusammensetzung immer komplexer wird, je mehr Therapien zum Einsatz kommen.
17 spezialisierte Zentren kooperieren bereits
Der Tumor ist in „permanenter Bewegung“, so Prof. Wolf. Nur wenn der behandelnde Arzt wisse, was im Tumor passiere, sei eine rationale Behandlung möglich. Nicht immer müsse man erneut biopsieren, denn mittlerweile gebe es „glücklicherweise“ die Liquid Biopsy.
Um in Deutschland die Testung bundesweit umzusetzen, sind eine intelligente Arbeitsteilung und der enge Austausch zwischen forschungsnahen Zentren und Praxen/Kliniken, die für die heimatnahe Behandlung der Patienten zuständig sind, nötig. Derzeit gibt es für Lungenkrebs 17 National-Network-Genomic-Medicine-Zentren, die mit Praxen und Kliniken kooperieren. Ziel ist es, die molekulare Diagnostik, Dokumentation und Beratung flächendeckend weiter zu implementieren und zu harmonisieren. Die Zusammenarbeit mit einem solchen Zentrum ermöglicht eine fallpauschalisierte Vergütung des Next Generation Sequencings sowohl bei Ersttestung als auch im Rezidiv.
Quelle: DGHO* Jahrestagung 2020 virtuell
* Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie