Ärztepsyche Ohne Crash durch die Pandemie
Um in der Coronapandemie psychisch gesund und leistungsfähig zu bleiben, helfen drei Grundregeln – die aber allzu oft nicht beachtet werden: gut schlafen, gesund essen und sich ausreichend bewegen. Besonders wichtig ist es, nachts vom stressigen Alltag abschalten zu können. Alkohol und Nikotin mögen zwar kurzfristig die Nerven beruhigen, sie sind aber Gift für eine erholsame Nachtruhe, warnen Dr. Jill Benson von der Universität Adelaide und Kollegen. Auch vom Fernsehen und vom Computer- und Smartphonegebrauch zu später Stunde raten die Autoren ab, denn das blaue Licht der Bildschirme erschwert das Einschlafen.
Einen Glücksmoment pro Tag planen
Am besten macht man sich anhand einer Liste deutlich, was für das eigene Wohlbefinden entscheidend ist, und setzt diese Dinge soweit wie möglich um. Zudem sei es der seelischen Gesundheit zuträglich, für jeden Tag zumindest einen „Glücksmoment“ einzuplanen und ausreichend Ruhepausen vorzusehen. Eine weitere Empfehlung lautet: Die eigene Verletzlichkeit akzeptieren und sich Unterstützung suchen, wann immer das notwendig wird.
Die gezielte Stärkung des parasympathischen Nervensystems kann einer überschießenden Stressreaktion entgegenwirken. Dabei helfen eventuell schon einfache Übungen wie vertieftes Ausatmen und bewusstes Entspannen. Die Produktion von Endorphinen lässt sich ankurbeln, zum Beispiel mit Lachen und Singen, mit Meditation und körperlicher Aktivität. Trotz Social Distancing und physischer Isolation sollte man die Beziehungen zu anderen eher intensivieren. Denn Freunde und Familie bieten erfahrungsgemäß den besten Schutz vor Burnout.
Ein besonderes Problem in COVID-Zeiten ist die Masse unseriöser und unkontrollierter Informationen im Internet und in den sozialen Medien. Deshalb empfehlen die Verfasser, sich auf nur wenige zuverlässige Quellen zu beschränken. Sie raten davon ab, den Tag mit dem Blick in die Nachrichten zu beginnen oder zu beenden.
Hoffnungslosigkeit steckt andere an. Daher sollte man im Kontakt mit Kollegen stets Ruhe und Zuversicht ausstrahlen. Tiefere Emotionen hingegen gehören in die vertraute Runde. Es ist nicht die Aufgabe von Ärzten, ständig sämtliche Probleme zu lösen. Entscheidend ist, dass sie mit voller Konzentration beim Job sind. Trotz Krankheit arbeiten zu wollen, ist gefährlich für sich selbst und für andere, machen Dr. Benson und Kollegen deutlich.
Auch mit der Gesundheitsversorgung der Ärzte steht es derzeit nicht zum Besten. Viele von ihnen managen ihre körperlichen und psychischen Störungen – mehr oder weniger erfolgreich – in Eigenregie. Dabei übersehen sie eventuell ernste Symptome, stellen sich selbst falsche Diagnosen und verzögern womöglich den Start in die entscheidende Therapie. Es ist für einen Mediziner sicherlich nicht einfach, selbst Patient zu sein, räumen die Autoren ein. Aber die Pandemie ist eine gute Gelegenheit, sich gegebenenfalls endlich einen Arzt zu suchen, mit dem sich auch die belastenden Gefühle im Zusammenhang mit der Coronapandemie besprechen lassen.
Quelle: Benson J et al. Fam Med Community Health 2022; DOI: 10.1136/fmch-2021-001553