Parkinson Paradigmenwechsel bei der Dysphagie
Noch vor wenigen Jahren galt die Dysphagie als ein spätes Symptom der Parkinsonkrankheit. Heute weiß man, dass sie in jeder Phase der Erkrankung auftreten kann – auch in der präklinischen oder Prodromalphase. So früh wird sie in der Routine allerdings meist nicht erkannt, erklärte Prof. Dr.
Tobias Warnecke von der Universitätsklinik für Neurologie in Münster. Man schätzt, dass eine Schluckstörung der Parkinson-Erstdiagnose um mehr als fünf Jahre vorausgehen kann. Relevant ist dies nicht so sehr wegen des erhöhten Aspirationsrisikos, sondern weil eine Dysphagie die Nahrungsaufnahme behindert, die Lebensqualität vermindert und nicht zuletzt die Wirksamkeit der Medikation negativ beeinflusst.
Nachgewiesen wird die oropharyngeale Dysphagie heute mit Hilfe der flexiblen endoskopischen Evaluation des Schluckens (FEES). Diese Methode hat den ehemaligen Goldstandard Videofluoroskopie des Schluckaktes abgelöst. Die FEES eignet sich zur Untersuchung der oropharyngealen Dysphagie bei Schlaganfall wie auch bei Parkinsonkrankheit und anderen Bewegungsstörungen. Nach Einschätzung des Kollegen lässt sich mit ihr der Schluckakt viel detaillierter beurteilen – mit dem Potenzial, eine Dysphagie früher zu entdecken.
Ad acta legte Prof. Wernecke die Vorstellung, bei der Dysphagie handele es sich um ein nicht-motorisches Krankheitszeichen. Tatsächlich lassen sich oropharyngeal typische motorische Symptome analog der Bewegungsstörungen beim Gehen zeigen. Zum einen kann es zu einer paradoxen Beschleunigung und zu repetitiven Zungenbewegungen kommen. In der Folge essen die Betroffenen nur sehr langsam und immer weniger. Es droht ein Gewichtsverlust, betonte Prof. Warnecke. Zum anderen kann analog dem Freezing of Gait eine Akinese auftreten, bei der passager der Schluckreflex nicht mehr auslöst, obwohl dies ansonsten noch klappt. Bei einigen Betroffenen lässt sich beim Schlucken ein „Trembling in Place“ beobachten. Sobald ein Bolus im Mund ist, kommt es zu einem hochfrequenten Tremor des Zungengrunds. Das Schlucken gelingt zwar, wird aber als sehr unangenehm empfunden.
Frühzeitig die richtigen Fragen stellen
Patienten mit einer Parkinsonerkrankung berichten im frühen Krankheitsverlauf nicht unbedingt von Schluckstörungen. Um erste Schluckproblem anamnestisch aufzudecken, empfahl Prof. Wernecke, nach Aufstoßen, Reflux und Sodbrennen als Ausdruck einer frühen ösophagealen Dysphagie zu fragen. Außerdem sollte man eruieren, ob die Patienten das Gefühl haben, dass irgendwo im Bereich von Mund, Rachenraum oder Speiseröhre etwas nicht optimal laufe. Seiner Erfahrung nach zeigen dann viele auf den Kehlkopfbereich.
Entgegen früherer Vorstellungen ist die Gastroparese nicht die alleinige obere gastrointestinale Störung, die motorische Fluktuationen bewirkt, weil Parkinsonmedikamente nicht an den Resorptionsort gelangen. Wie Prof. Warnecke ausführte, finden sich aufgrund von Schluckstörungen sehr häufig auch im Pharynx Medikamentenreste oder ganze Tabletten. In einer noch nicht publizierten prospektiven Studie ergab die FEES bei fast 70 % der Patienten mit Parkinsonkrankheit eine Medikamenten-Dysphagie, deren Vorliegen tatsächlich mit häufigeren motorischen Komplikationen assoziiert war.
Motorische Störungen bei Dysphagie sind durchaus levodoparesponsiv, so Prof. Warnecke. Das ließ sich beispielsweise bei Menschen mit fortgeschrittener Parkinsonkrankheit durch einen FEES-Levodopa-Test im Off und On zeigen. Als Beispiel für gut mit Levodopa behandelbare Symptome nannte der Kollege pharyngeale Residuen. Ein inadäquater Schluckreflex ist dagegen nicht levodoparesponsiv.
Kongressbericht: NEUROWOCHE 2022