Der Gefahr ins Auge blicken Patienten mit Diabetes müssen regelmäßig zum Ophthalmologen

Autor: Dr. Andrea Wülker

Abb. 1: Zur Behandlung diabetischer Netzhautschäden werden häufig VEGF-Inhibitoren oder Steroide in den Glaskörper injiziert.
Abb. 2: Im Bereich des Sehnervs eines Diabetespatienten ist die Retina von Membranen überdeckt und es sind neue Gefäße eingesprosst. Zudem kann man im Fundus kleine Blutflecken erkennen.
Abb. 1: Zur Behandlung diabetischer Netzhautschäden werden häufig VEGF-Inhibitoren oder Steroide in den Glaskörper injiziert. Abb. 2: Im Bereich des Sehnervs eines Diabetespatienten ist die Retina von Membranen überdeckt und es sind neue Gefäße eingesprosst. Zudem kann man im Fundus kleine Blutflecken erkennen. © Biller ML et al. Hessisches Ärzteblatt 2024; 85: 150-158 © Deutscher Ärzteverlag, Köln

Ein Diabetes kann Schäden an der Netzhaut hervorrufen und bis zur Erblindung führen. Um diese Komplikationen möglichst zu verhindern, sollten Hausärzte eng mit Ophthalmologen zusammenarbeiten. Doch wann und wie häufig müssen die Patienten zur Kontrolle?

Bei der diabetischen Retinopathie und Makulopathie handelt es sich um Komplikationen, die in der Mehrzahl beim Typ-1- und seltener beim Typ-2-Diabetes auftreten. Diese Netzhautveränderungen sind die häufigste Ursache für Sehverlust und Erblindung bei Erwachsenen im Alter von 20 bis 74 Jahren, betonen Dr. Marvin Lucas Biller und Kollegen von der Universitäts-Augenklinik Frankfurt. Es gibt einige Risikofaktoren, die mit der Entwicklung von Netzhautschäden einhergehen (siehe Kasten).

Retinopathie und Makulopathie müssen frühzeitig erkannt und behandelt werden, daher sollten Haus­ärzte bzw. Diabetologen eng mit Augenärzten kooperieren und gut kommunizieren. Menschen mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes sollten direkt dem Augenarzt vorgestellt werden. Patienten mit Typ-1-Diabetes sollten ab dem elften Lebensjahr oder nach fünfjähriger Dauer der Erkrankung einen Termin beim Augenarzt vereinbaren (siehe Tabelle). Bitte nicht vergessen: den Dokumentationsbogen „Hausärztliche/Diabetologische Mitteilung an den Augenarzt“. Je nach Augenbefund werden anschließend die weiteren Kontrollintervalle festgelegt.

Risikofaktoren für Netzhautschäden bei Diabetes

  • längere Diabetesdauer
  • dauerhaft erhöhter HbA1c-Wert
  • Fettstoffwechselstörung
  • Bluthochdruck
  • diabetische Nephropathie
  • Rauchen
  • Schwangerschaft

Bei der diabetischen Retinopathie unterscheidet man die nicht-proliferative und die proliferative Form. Zu Beginn liegt meist die nicht-proliferative Variante mit asymptomatischen Mikroaneurysmen der kleinen Retinaarterien vor. Im weiteren Verlauf können intraretinale Blutungen oder Ischämien auftreten, was die Ausschüttung von Vascular endothelial growth factor (VEGF) anregt. Das Signalmolekül fördert den Übergang in die proliferative Form der diabetischen Retinopathie mit Gefäßneubildungen sowie die Entwicklung eines diabetischen Makulaödems. 

Undichte Gefäße führen zu Flüssigkeit in der Netzhaut

Beim diabetischen Makulaödem kommt es durch Okklusionen und Permeabilitätsstörungen von Kapillaren im Bereich der Makula zu Flüssigkeitseinlagerungen. Betroffene Patienten berichten von Visusminderung, Schwierigkeiten beim Lesen, verzerrtem Sehen und zentralen Gesichtsfelddefekten.

Wann zum Augenarzt?
DiagnoseErstvorstellungIntervall
  bisher keine diabetische Retinopathie festgestelltdiabetische Retinopathie diagnostiziert
Typ-1- Diabetesab dem elften Lebensjahr oder nach fünf Jahren Erkrankungsdauer
  • alle zwei Jahre, wenn keine allgemeinen Risikofaktoren (s. Kasten) bestehen
  • einmal jährlich, wenn mindestens ein Risikofaktor besteht
Behandlung und Wiedervorstellung nach Maßgabe des Augenarztes
Typ-2- Diabetesdirekt nach Erstdiagnose

Zur Prävention von Netzhautschäden bei Diabetespatienten sind regelmäßige augenärztliche Verlaufskontrollen und ein interdisziplinärer Austausch aller behandelnden Ärzte entscheidend, schreiben die Autoren. Liegen bereits Veränderungen der Retina vor, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, mit denen sich die Visusprognose verbessern lässt.

Steroide oder VEGF-Hemmer in den Glaskörper spritzen

Zur Therapie von Gefäßneubildungen im Rahmen einer proliferativen diabetischen Retinopathie oder eines diabetischen Makulaödems kommt die intravitreale operative Medikamentenapplikation (IVOM) im Rahmen eines minimalinvasiven ambulanten Eingriffs infrage. Dabei werden unter Lokalanästhesie z.B. Steroide oder VEGF-Inhibitoren in den Glaskörper gespritzt. Die IVOM bewirkt in vielen Fällen eine Besserung des Sehvermögens oder die Progression wird gebremst. VEGF-Inhibitoren müssen häufiger injiziert werden als Depotsteroide. Letztere erfordern jedoch regelmäßige Augendruckmessungen.

Einige diabetische Retinakomplikationen lassen sich mit der in der Regel ambulant durchgeführten Laserkoagulation behandeln. Durch die Narbenbildung in der Netzhaut werden bestimmte Pathomechanismen wie die Ausschüttung von VEGF oder proinflammatorischen Substanzen durchbrochen, was Gefäßneubildungen in der Netzhaut reduziert. Der Eingriff kann allerdings zu Sehstörungen führen.

Quelle: Biller ML et al. Hessisches Ärzteblatt 2024; 85: 150-158 © Deutscher Ärzteverlag, Köln