Autmoatisierte Insulindosierung Patient*innen fordern Anerkennung von Open-Source-AID-Systemen in der Versorgung
Wenn es um die Wahl eines geeigneten Systems zur automatisierten Insulindosierung (AID) geht, sollten Diabetolog*innen und ihre Teams sich bei der Beratung nicht auf die kommerziell verfügbaren Modelle beschränken, sondern ihren Patient*innen auch Open-Source-AID-Systeme vorstellen. Diese Auffassung vertritt Dana Lewis aus Seattle (Washington, USA), die mit Typ-1-Diabetes lebt, bereits 2013 ihr CGM-System mithilfe eines frei zugänglichen Algorithmus mit ihrer Insulinpumpe koppelte und kurz darauf die #DIYAPS-Bewegung ins Leben rief. „Ich weiß, dass es sich bei einem Open-Source-AID-System um eine sehr überzeugende Technologie handelt – schließlich habe ich sie erfunden“, erklärte sie im Rahmen einer Sitzung, die erstmals unter der Federführung der Diabetes-Community Dedoc abgehalten wurde.
Lewis begründete ihre Forderung mit dem Anfang 2022 publizierten internationalen Konsenspapier zu Open-Source-AID-Systemen,1 an dem 48 medizinische und juristische Expert*innen beteiligt waren und das von neun nationalen und internationalen Diabetesorganisationen unterstützt wird.
Behandlungsteams sollten sich zu AID-Systemen weiterbilden
Darin heißt es unter anderem, dass AID-Systeme mit frei zugänglichen Quellcodes eine sichere und effektive Therapieoption darstellen. Damit seien Behandlungsteams verpflichtet, auch über diese Therapieoption aufzuklären – auch wenn das bedeutet, dass sie sich selbst erst einmal auf diesem Gebiet weiterbilden müssen.
„Menschen mit Diabetes sollten selbst entscheiden können, welches System für sie persönlich am besten ist“, meinte die Forscherin und Aktivistin. „Medizinische Fachkräfte sollten ihre individuelle Wahl respektieren. Wenn sie mit den Systemen selbst noch nicht vertraut sind, sollten sie sich an erfahrene Anwender*innen wenden oder andere frei zugängliche Informationsquellen nutzen.“ Zu diesen Quellen zählen Foren, E-Books und eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Publikationen.
In den ersten Jahren waren es vor allem Einzelfall- oder Beobachtungsstudien, die sich mit der Open-Source-AID-Technologie befassten.2,3 „Da wurde ich dann gefragt, wie man denn wissen kann, ob es auch bei anderen so gut funktioniert“, erinnerte sich Lewis, „die Fachwelt wollte wissenschaftliche Evidenz sehen.“
Inzwischen liegt auch eine ganze Reihe von Vergleichs- und sogar randomisierten Kontrollstudien vor.4 Sie zeigen, dass sich – unabhängig von der Ausgangslage – die Zeit im Glukose-Zielbereich signifikant um etwa 15 Prozentpunkte erhöht.5 „Der Anteil von Hypo- und Hyperglykämien verringert sich, auch HbA1c-Wert und Lebensqualität verbessern sich“, betonte die Referentin.
Zur Wahlfreiheit gehört für Lewis neben umfänglicher Aufklärung und Beratung aber auch volle Transparenz: „Alle verfügbaren AID-Systeme, auch die kommerziellen, sollten ihre Funktionsweise vollständig offenlegen.“
Auf Gemeinsamkeiten statt auf Unterschiede fokussieren
„Nur so kann man tatsächlich informierte Entscheidungen treffen“, forderte sie. Allerdings hält sie es für falsch, kommerzielle und selbstgebaute Systeme gegeneinander auszuspielen: „Es wird so viel über die Unterschiede diskutiert, dabei gibt es doch viel mehr Gemeinsamkeiten!“ Außerdem wünscht sie sich, dass weniger über die Risiken von Diabetestechnologie – inklusive AID-Systeme – gesprochen wird, wenn die Technik in der Summe doch dazu beiträgt, Behandlungsrisiken zu reduzieren.
Quellen:
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Braune K et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2022; 10: 58-74; doi: 10.1016/S2213-8587(21)00267-9
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Braune K et al. J Diabetes Sci Technol 2020; 14: 1137-1138; doi: 10.1177/1932296819884922
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Jeyaventhan R et al. Diabetes Obes Metab 2021; 23: 1989-1994; doi: 10.1111/dom.14439
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Burnside M. J Diabetes Metab Disord 2020; 19: 1615-1629; doi: 10.1007/s40200-020-00547-8
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Zekai W et al. Ther Adv Endocrinol Metab 2020; doi: 10.1177/2042018820950146
Kongressbericht: ATTD 2022