Wider das wilde Screening PROBASE schafft Grundlagen für eine risikoadaptierte Prostatakarzinom-Früherkennung

DKK 2024 Autor: Lara Sommer

Mit einem PSA-Test können minimalinvasiv diejenigen ausgewählt werden, die eine aufwendigere Diagnostik benötigen. Mit einem PSA-Test können minimalinvasiv diejenigen ausgewählt werden, die eine aufwendigere Diagnostik benötigen. © shidlovski - stock.adobe.com

In der PROBASE-Studie testen Wissenschaftler:innen ein Modell eines risikoadaptierten Prostatakrebsscreenings. Hinsichtlich der Umsetzung eines bevölkerungsweiten Früherkennungsprogramms bleiben aber noch viele Fragen offen.

Ein opportunitisches Prostatakarzinomscreening scheitert nicht nur bei der Mortalitätsreduktion, sondern führt auch zu Überdia­gnosen und -therapie, stellte Prof. Dr. ­Peter ­Albers vom DKFZ Heidelberg klar.1 Er schlussfolgerte: „Es hat also nicht nur keinen wesentlichen Effekt, sondern verursacht vor allem Schaden.“ Hinzu komme, dass die Aussagekraft des PSA-Werts mit dem Alter sinke. Während Überdia­gnosen im Alter von 45 bis etwa 55 Jahren selten vorkommen, stiegen diese mit dem Auftreten einer benignen Prostatahyperplasie stark an. „Die meisten Männer in Deutschland erhalten ihren ersten PSA-Wert mit über 65 Jahren. Damit liegen sie genau in dem Bereich, wo ich automatisch 60 % überdiagnostizierte Karzinome habe“, erinnerte der Experte.

In der ­PROBASE-Studie wollen Forschende klären, wie ein optimiertes, risikoadaptiertes Screeningmodell aussehen könnte. Dazu rekrutierten sie mehr als 46.000 Personen. Die Hälfte von ihnen erhielt ihren ersten PSA-Wert im Alter von 45 Jahren, die andere mit 50. Bei einer Konzentration unter 1,5 ng/ml luden die Mediziner:innen Teilnehmende nach fünf Jahren erneut ein, Werte zwischen 1,5–2,99 ng/ml führten zu Kontrollen alle zwei Jahre. Steigt das PSA zu irgendeinem Zeitpunkt über 3 ng/ml, erfolgen eine MRT und eine gezielte Biopsie verdächtiger Läsionen.

Insgesamt wiesen nur 0,8 % der Untersuchten im Alter von 45 Jahren einen initialen PSA-Spiegel von 3 ng/ml oder mehr auf (186 von 23.301 Personen). 120 davon (64,5 %) wurden biopsiert und 48 Prostatakarzinome diagnostiziert. Dies entspricht 0,2 % aller Teilnehmenden in der Kohorte. Zur Überraschung des Kollegen hatten nur 9 % zum Diagnosezeitpunkt einen ISUP-Score von 3 oder höher: „Auch ich habe noch gelernt, dass Prostatakarzinome in jungen Jahren aggressiv seien, aber das ist nicht der Fall.“ 

PROBASE und die digito-rektale Tastuntersuchung

Teilnehmenden, die den ersten PSA-Test mit 50 Jahren erhalten, boten Ärzt:innen leitliniengemäß die digito-rektale Tastuntersuchung an. „Zwei Drittel derer, denen sie angeboten wurde, haben sie nicht akzeptiert“, benannte Prof. ­Albers das erste Problem. Außerdem detektierten Fachleute unter 6.537 Untersuchten nur drei Karzinome (0,05 %), wohingegen sich 35 Personen einer unnötigen Biopsie unterzogen. Der Kollege verwies auch auf eine Analyse, nach der sich 86 % der histologisch gesicherten Karzinome gar nicht ertasten lassen. Alles in allem sollte die digito-rektale Untersuchung seiner Ansicht nach nicht mehr empfohlen werden.

Im Bezug auf die Abklärung durch eine MRT bleibe noch unklar, wo der optimale Cut-off liege. Bei einer Grenze von PIRADS 3 detektierten Fachleute alle klinisch relevanten Prostatakarzinome und können theoretisch 20 % der Biopsien einsparen. Mit PIRADS 4 als Kriterium fallen sogar zwei Drittel weniger Biopsien an, es werden aber erste relevante Malignome übersehen. Eindeutig sei wiederum, dass die Qualität der Ergebnisse stark von der Erfahrung der Radiolog:innen abhänge.

„Das System PROBASE funktioniert“, bilanzierte Prof. ­Albers abschließend. Grundsätzlich scheinen Zielpersonen eine solche risikoadaptierte Früherkennung gut anzunehmen. Bevor ein organisiertes Prostatakarzinomscreening auf Bevölkerungsebene beginne, müssten die Verantwortlichen allerdings noch zahlreiche Fragen klären. Dazu zählt, wie man möglichst viele Berechtigte zwischen 45 und 50 Jahren erreicht, wer den Basis-PSA-Wert erheben soll und wie die Qualitätssicherung der MRT-Auswertungen gelingt. 

Einige Maßnahmen ließen sich aber sofort implementieren:

  • Basis-PSA-Wert mit 45–50 Jahren
  • 90 % benötigen erst nach fünf Jahren eine Wiederholung
  • PSA-Erhöhungen durch MRT abklären
  • detektierte Low-Risk-Karzinome aktiv überwachen
  • ab etwa 70 Jahren keine organisierte Früherkennung mehr

Unabhängig davon sollte es gesonderte Risikosprechstunden für diejenigen mit familiärer Belastung geben. Der Experte argumentierte: „Man muss überlegen, welche Gruppen man aus einem organisierten Screeningprogramm rausnimmt, weil sie vor lauter Angst doch Zusatzwerte machen lassen.“

Grenzwert von 1,5 ng/ml PSA reicht vermutlich aus

Dr. ­Agne ­Krilaviciute, DKFZ Heidelberg, beschäftigte sich wiederum mit dem optimalen PSA-Grenzwert im Alter von 45 Jahren.2 Sie kam bei der Auswertung der PROBASE-Daten zu dem Schluss, dass sich die Schwelle für intensivierte Kontrollen vermutlich sicher auf 1,5 ng/ml anheben lässt. 

Im Alter von 45 Jahren hatten in der PROBASE-Kohorte 71 % einen PSA-Wert von bis zu 1 ng/ml, was der konventionellen Definition eines niedrigen Risikos entspricht. „Mit 1,5 als Cut-off fallen jedoch 89 % in diese Kategorie“, merkte die Referentin an. Die Frage, ob man 18 % der Kohorte alle zwei oder alle fünf Jahre screene, spiele unter anderem eine Rolle für die Kosten eines Früherkennungsprogramms.

In der erweiterten Niedrigrisikogruppe (PSA initial < 1,5 ng/ml) trat ein PSA-Anstieg über 3 ng/ml etwas häufiger auf als beim konventionellen Grenzwert (0,45 % vs. 0,14 %). Das Gleiche galt auch für Karzinome (9 vs. 2 Fälle; 0,06 % vs. 0,02 %). „Durch die Ausweitung der Niedrigrisikodefinition haben wir etwas mehr Krebsfälle, die eventuell etwas später entdeckt werden als bei einem zweijährlichen Screening“, gestand Dr. ­Krilaviciute ein. Dennoch bleibe das absolute Risiko ausgesprochen gering. Zusätzlich wies sie darauf hin, dass bisher niemand mit einem initialen PSA-Wert unter 0,5 ng/ml ein Prostatakarzinom entwickelt habe.

Quellen:

1. Albers P. DKK 2024; Vortrag „Neues risikoadaptiertes Screening des Prostatakarzinoms – Personalisierte Screening-Strategien“

2. Krilaviciute A. DKK 2024; Vortrag „Modeling of an optimal PSA-based risk stratification at age 45 in the PROBASE trial“