So lassen sich Diabetiker langfristig zum Abnehmen motivieren
Seit ihrer Pensionierung fehlt der 66-jährigen Hanna K. eine echte Aufgabe. Die Kinder sind aus dem Haus, einen Mann hat sie nicht. Deshalb geht sie häufig zu ihrem Hausarzt und klagt ihr Leid, hält sich aber auch nicht an dessen Vorgaben, um ihren Diabetes in den Griff zu bekommen. Mit dem Abnehmen klappt es genauso wenig wie mit dem Sport. Dabei fürchtet sie sich vor der Krankheit und ihren Folgen, obwohl sie nur wenig darüber weiß.
Die ältere Dame steht sinnbildlich für viele Diabetiker, an denen sich Kollegen regelmäßig die Zähne ausbeißen. Durch Werbeversprechen, Klatschblätter und die Tricks der Lebensmittelindustrie wissen die Patienten oft gar nicht, was gesund für sie ist, sagte die Berliner Psychologin Dr. Claudia V. Schwörer. Umso wichtiger sei es, dass Hausärzte für die Interessen der Hersteller sensibilisieren.
Bildlich erklären, warum kurze Diäten nichts bringen
Neben individuellen Faktoren, die jeden noch so ernsten Abspeckversuch torpedieren (z.B. Depression, Hypothyreose, Medikamenteneinnahme), gibt es jene Personen, die Frust, Stress oder Langeweile mit Essen kompensieren, erklärte Dr. Schwörer. In solchen Fällen eignet sich z.B. ein Ernährungstagebuch, um wiederkehrende Muster und Gewohnheiten zu erkennen. Es sollte dann ein begleitendes Gefühl bzw. kurz der Kontext notiert werden, in dem die Patienten gegessen haben.
Auch bei Hanna K. wird der Kollege vermutlich mehr erreichen, wenn er die persönlichen Motive der Rentnerin herausfindet, anstatt sie mit allen Mitteln zum Joggen und zur Diät zu zwingen. Sie ist gesellig, möchte sich mehr bewegen und will beschäftigt sein. So wäre z.B. die Mitgliedschaft in einem Wanderverein ideal. Am besten sucht ihr Hausarzt ein paar Adressen von Vereinen heraus und zeigt Interesse an ihren Bemühungen, indem er sie regelmäßig fragt, wie es ihr dort gefällt. Dazu sollte er ihr erklären, weshalb die permanenten kurzen Diäten niemals langfristig zu einer Gewichtsreduktion führen werden (Kohlenhydratketten, Stoffwechsel, Insulinresistenz). Am besten bildlich, einfach und positiv formuliert.
Nicht aufessen ist durchaus erlaubt
Weil Essen einem sozialen Bindemittel gleichkommt, erschweren es Freunde, Familie oder Geschäftskontakte zusätzlich, konsequent Nein zu sagen. Tipp der Psychologin: Den Teller nicht jedes Mal bis zum Rand füllen und brav aufessen, sondern einfach etwas übrig lassen. Dieser Rest dient auch als Gegenargument für einen Nachschlag.
Von der Sahnetorte zum Obstkuchen wechseln
Die Wenigsten werden nur dem Arzt zuliebe Gewohnheiten aufgeben und Verlockungen widerstehen. Aber sollte die Diagnose Diabetes nicht Ansporn genug sein, das Verhalten zu ändern? Die Realität sieht meist anders aus. Langzeitziele wie den HbA1c zu senken und Folgeerkrankungen zu verhindern, werden zugunsten der direkten Bedürfnisbefriedigung über Bord geworfen. Mit einer sofortigen Ernährungs- und Verhaltensänderung sind die Patienten überfordert. Es kommt zum Konflikt zwischen kurz- und langfristigen Zielen. Die Lösung: dauerhafte Ernährungsumstellung in Minischritten.
Sportmuffel z.B. müssen sich nicht gleich fünfmal pro Woche auf dem Ergometer abstrampeln. Etwas mehr Bewegung reicht für den Anfang völlig. Wer der Sahnetorte nicht widerstehen kann, sollte sie zunächst durch einen Obstkuchen ersetzen und dann nach und nach zu purem Obst greifen.
Quelle: DiaLate 2019