Sport nach COVID: Mit sanftem Training zurück zur vollen Leistung
Um keine Myokarditis zu übersehen, rät die europäische Gesellschaft für Sportmedizin (EFSMA*), bei allen COVID-positiven Patienten vor dem Trainingsstart ein EKG zu schreiben – auch wenn diese keine Beschwerden hatten. Schon bei leichten Symptomen sollte ein Sportmediziner und/oder Kardiologe konsultiert werden. Das gilt für Freizeitjogger ebenso wie für Leistungskader, schreibt das Team um Professor Dr. Herbert Löllgen von der European Federation of Sports Medicine Associations in Lausanne. Wenn in der Akutphase kardiopulmonale Symptome aufgetreten sind, ist eine gezielte Abklärung (Echokardiogramm, Lungenfunktion) angezeigt.
Britische Kollegen geben zu bedenken, dass ambulant behandelte COVID-Patienten mit leichter bis mittelschwerer Erkrankung höchstwahrscheinlich nur selten Myokardschäden und thromboembolische Komplikationen entwickeln. Es ist eine Gratwanderung, erklärt das Team um Dr. David Salman vom Imperial College London. Einerseits muss das Risiko abgeklärt werden, andererseits riskiert man damit eventuell, dass eine sowieso schon zu inaktive Bevölkerung sich noch weniger bewegt. Die Experten plädieren deshalb für ein pragmatisches Vorgehen. Der Hausarzt übernimmt dabei eine Schlüsselrolle.
Virale Endokarditis erfordert mindestens dreimonatige Sportpause
Außer Frage steht für die Autoren, dass im Krankenhaus behandelte COVID-Patienten einer speziellen Rehabilitation bedürfen. Ansonsten richtet sich das Vorgehen nach der Symptomatik während der Akutphase: Wenn Brustschmerzen, Dyspnoe, Palpitationen oder Synkopen aufgetreten sind, ist zunächst eine klinische Untersuchung angezeigt, je nach Schweregrad auch ein 12-Kanal-EKG und weitere kardio-respiratorische Diagnostik. Patienten mit einer pathologischen Herzstromkurve oder anderen verdächtigen Befunden (Herzgeräusche, Arrhythmie, anhaltende Hypoxie etc.) sollten kardiologisch abgeklärt werden. Eine virale Endokarditis erfordert eine Sportpause von drei bis sechs Monaten.
Prolongierter Husten und Kurzatmigkeit verschwinden meist innerhalb einiger Wochen von selbst. Anhaltende und progrediente respiratorische Beschwerden können auf eine Lungenembolie, Pneumonie oder postinflammatorische Bronchokonstriktion hinweisen, die fachärztlich ausgeschlossen werden sollten. Andere COVID-Symptome, z.B. gastrointestinaler oder rheumatischer Natur, bedürfen ebenfalls genauerer Diagnostik.
Auch mit psychischen Folgen ist zu rechnen. Fragen nach Stimmung, Schlaf, Appetit und innerem Antrieb ermöglichen eine erste Orientierung. Körperliche Bewegung bessert nachweislich das seelische Wohlbefinden. Deshalb sollte ein entsprechendes Training Betroffenen nicht verweigert werden.
Auftrainieren in vier Phasen
Eine Grundvoraussetzung für die Wiederaufnahme sportlicher Aktivität ist eine mindestens siebentägige Symptomfreiheit, betonen die Autoren. Zum einen tritt eine etwaige Verschlechterung des Zustandes oft erst mit Verzögerung ein. Zum anderen sind anhaltende Beschwerden oft Zeichen einer prolongierten Erkrankung.
Mit dem Bewegungsprogramm soll der Patient die körperliche Leistungsfähigkeit wiedererlangen, die er vor der Infektion hatte. Damit dies gelingt, empfehlen die britischen Kollegen ein behutsames Auftrainieren in vier Phasen. Jede einzelne dauert mindestens eine Woche, bei Bedarf (z.B. mangelnde Fortschritte, neu auftretende oder wiederkehrende Symptome) auch deutlich länger.
Am Anfang stehen Dehn-, Gleichgewichts- und Atemübungen. In Phase 2 folgen leichte Aktivitäten wie Spazierengehen, Haus- und Gartenarbeit und Yoga. Dabei soll sich der Patient ohne Schwierigkeiten unterhalten können. Das Pensum wird pro Tag um 10–15 Minuten gesteigert. Wer eine halbe Stunde gehen kann, ohne mehr als eine leichte Anstrengung zu fühlen, qualifiziert sich für die nächste Stufe.
Phase 3 beginnt mit zwei fünfminütigen Trainingseinheiten (z.B. schnelles Gehen, Treppensteigen, Joggen) mit Pause dazwischen. Pro Tag wird das Quantum um eine Einheit erhöht bis eine halbe Stunde erreicht ist. Dabei soll der Patient nicht außer Atem geraten und sich noch unterhalten können. Für die Erholung sollte er nicht mehr als eine Stunde benötigen. In Phase 4 stehen Koordinations- und Krafttraining auf dem Programm (jeden zweiten Tag), die letzte Vorbereitung für die vorher gewohnte sportliche Aktivität.
Dabei warnen die Autoren vor zu viel Ehrgeiz: Trainiert werden sollte nur, wenn sich der Patient am Tag nach den Übungen gut erholt hat und keine neuen oder rezidivierenden Symptome aufgetreten sind. Bei ungewöhnlich starker Kurzatmigkeit oder dem Auftreten anderer Beschwerden (z.B. erhöhte Temperatur, Lethargie oder Brustschmerz) ist das Trainingspensum zu verringern und ärztlicher Rat einzuholen.
* European Federation of Sports Medicine
Quellen:
1. Löllgen H et al. Br J Sports Med 2020; DOI: 10.1136/bjsports-2020-102985
2. Salman D et al. BMJ 2021; 372: m4721; DOI: 10.1136/bmj.m4721