Sport trotz Rheuma: Es existieren kaum Tabus
Umdenken ist angesagt, wenn es um die sportliche Aktivität von Rheumapatienten geht. Statt die Sorge vor Schäden und Verletzungen zu schüren, sollte man Freude und positive Erwartung wecken. Immerhin kann körperliche Belastung das Gesamtbefinden des Kranken und seine Beweglichkeit verbessern, erklärte Professor Dr. Markus Gaubitz, Akademie für Manuelle Medizin der Universität Münster.
Genauso viel Aktivität wie bei Gesunden empfohlen
Dieser Erkenntnis trug im letzten Jahr die EULAR* mit ihren Empfehlungen für Arthritis- und Arthrosepatienten Rechnung. Eine Task Force aus Rheumatologen, anderen Ärzten und Patientenvertretern kam zu dem eindeutigen Schluss, dass körperliche Aktivität bzw. Sport integraler Bestandteil jeder Behandlung sein müsse. Und zwar nicht in abgespeckter Form, sondern durchaus angelehnt an das WHO-Pensum für Gesunde. Was bedeutet:
- Erwachsene (< 65 Jahre) sollten zumindest mit mäßiger Intensität für mind. 30 Minuten an fünf Tagen pro Woche aktiv sein.
- Wird intensiver trainiert, liegt das Minimum bei 20 Minuten an drei Tagen pro Woche.
Mit welchen Zielen der Rheumapatient Sport treibt – kardiorespiratorische Leistungsfähigkeit, Muskelkraft, Dehnbarkeit oder neuromotorische Kontrolle verbessern – sollte vorab mit ihm besprochen und im Verlauf regelmäßig überprüft werden. Ärzte sind laut EULAR in der Pflicht, ihre Patienten zu Sport zu ermuntern und ihnen auch konkrete Anlaufstellen zu nennen, sagte Prof. Gaubitz. Nach seiner Erfahrung gebe es kaum sportliche Tabus, der Patient würde selbst merken, wenn etwas nicht gut gehe.
Welchen Effekt ein Plus an körperlicher Belastung haben kann, zeigte im letzten Jahr eine amerikanisch-britische Arbeitsgruppe. Sie ließ zwölf bis dahin inaktive Patienten mit stabiler rheumatoider Arthritis zehn Wochen lang ein intensives Intervall-Gehtraining durchführen.
Krankheitsaktivität sinkt durch Intervall-Gehtraining
Dreimal pro Woche mussten die im Mittel 64 Jahre alten Teilnehmer für jeweils 30 Minuten laufen. Dabei wechselten sich zehn mindestens 60 Sekunden dauernde Intervalle, in denen die VO2-Reserve zu 80–90 % ausgeschöpft wurde, mit weniger intensiven Intervallen (50-60 % VO2-Reserve) ab.
Am Ende ließen sich nicht nur eine gebesserte kardiorespiratorische Fitness und eine Reduktion von Ruheblutdruck sowie Herzfrequenz nachweisen. Auch die Krankheitsaktivität, ermittelt anhand des DAS28**, war deutlich zurückgegangen – um hoch signifikante 38 %. Die Zahl der geschwollenen Gelenke betrug nur noch 1,9 statt initial 4,3 – ein Effekt, der dem von Basistherapeutika entspricht, betonte Prof. Gaubitz. Weitere positive Wirkungen des Intervalltrainings zeigten sich im Hinblick auf Depressionen, Angst und Schmerzen.
Empfehlungen und Studien sind das eine, der Alltag das andere. Die meisten Patienten mit rheumatoider Arthritis verfehlen die Vorgaben der WHO für körperliche Aktivität, berichtete Professor Dr. Uwe Lange von der Kerckhoff-Klinik GmbH in Bad Nauheim. In der Altersgruppe der 30- bis 64-Jährigen sind es gerade mal 19 %, die sich länger als zwei Stunden pro Woche sportlich betätigen. 43 % bleiben unterhalb der Zwei-Stunden-Marke.
Studien zu Sportarten und Hilfsmitteln erforderlich
Auch der Kollege forderte, alte Dogmen wie „viel bewegen, wenig belasten“ angesichts der aktuellen Studienlage zu überdenken. In seinem Skript zum Vortrag weist er zudem darauf hin, dass weitere prospektive Studien auch im Hinblick auf bisher kaum untersuchte Sportarten und den Nutzen von Hilfsmittteln dringend erforderlich seien.1
* European League Against Rheumatism
** Disease Activity Score 28
1. Handbuch Rheumatologie 2019