Typ-2-Diabetiker: Aktualisierte Leitlinie lockert die Zugangshürden für bariatrische Eingriffe
Weniger der alleinige Gewichtsverlust soll künftig im Mittelpunkt operativer Maßnahmen stehen. In der aktualisierten S3-Leitlinie zur Adipositas- und Metabolischen Chirurgie rückt die Gesundheit selbst ins Zentrum. Wenn sich durch einen Eingriff der Stoffwechsel verbessert und in der Folge Lebensqulität und -erwartung steigen, dürften Ärzte schneller zum Skalpell greifen.
Bislang mussten stark Übergewichtige ihre Ernährung umstellen, sich mehr bewegen und Verhaltens- sowie Pharmakotherapien über sich ergehen lassen. Erst, wenn solche konventionellen Maßnahmen nicht binnen zwei Jahren zu einem nachhaltigen Gewichtsverlust von mindestens 15–20 % führten, war eine bariatrische OP indiziert. Ein paar Ausnahmen gibt es allerdings, die auch mit dem Update weiterhin gelten. Sofort operiert werden dürfen Patienten
- mit einem BMI > 50 kg/m2,
- mit schwerwiegenden Begleit- und Folgekrankheiten wie diversen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der nicht-alkoholischen Fettleber, immobilisierenden Gelenkerkrankungen oder Fertilitätseinschränkungen bzw. einem polyzystischem Ovarialkarzinom, die eine sofortige OP notwendig machen oder
- bei denen ein konservativer Therapieversuch von einem multidisziplinären Team als aussichtslos eingestuft wird.
Mit der aktualisierten Leitlinie kommen nun auch Patienten für eine metabolische Operation infrage, die einen BMI > 40 kg/m2 und einen koexistierenden Typ-2-Diabetes aufweisen. Die Experten beschleunigen den Weg in den OP-Saal insofern, als dass Betroffene nicht mehr nachweisen müssen, einmal das komplette Programm konservativer Therapien durchlaufen zu haben. Sie können künftig sofort operiert werden.
Entsprechend der Zielsetzung muss jedoch die Kontrolle der glykämischen Stoffwechsellage im Vordergrund stehen und nicht die Gewichtsabnahme (vgl. Kasten).Gleiches gilt für Typ-2-Diabetiker mit einem BMI > 35 kg/m2, wenn sie ihre diabetesspezifischen Zielwerte trotz einer leitliniengerechten Behandlung nicht erreichen. Unabhängig vom BMI sollten die Diabetespatienten vorbereitend eine Ernährungsberatung absolvieren.
Chirurg schraubt an Problemzonen des Diabetes
- instabile psychopathologische Zustände, unbehandelte Essstörungen wie Bulimia nervosa und aktive Substanzabhängigkeit,
- maligne Neoplasien, unbehandelte endokrine Ursachen, konsumierende Grunderkrankungen und chronische Erkrankungen, die sich durch einen katabolen Stoffwechsel nach der OP verschlechtern,
- vorliegende oder unmittelbar geplante Schwangerschaft.
Auch adipöse Kinder mit Komorbidität operieren?
Kinder und Jugendliche stellen ebenfalls eine potenzielle Patientenklientel. Die Experten diskutieren verschiedene Indikationsstellungen, beispielsweise wenn ein BMI ab 35 kg/m2 auf mindestens eine somatische oder psychosoziale Komorbidität trifft. Der besonderen Problematik dieser Altersgruppe hatte sich die 2017 überarbeitete Leitlinie „Bariatrisch-chirurgische Maßnahmen bei Jugendlichen mit extremer Adipositas“ angenommen.Quelle: S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen, AWMF-Registernr. 088-001, www.awmf.org