TAVI Und täglich grüßt die Endokarditis

Autor: Dr. Sascha Gehrken

In diesem Fall haben Streptokokken eine Herzklappe befallen. Oft sind auch weitere Strukturen betroffen. In diesem Fall haben Streptokokken eine Herzklappe befallen. Oft sind auch weitere Strukturen betroffen. © Science Photo Library/Christol, D. / CNRI

Nach der Implantation einer Transkatheterklappe sind regelmäßige Kontrollen unverzichtbar. Insbesondere das Endokarditisrisiko sollte man im Blick haben. Denn die Entzündung hat eine „dramatisch schlechte Prognose“.

Vor dem Hintergrund häufigerer TAVI*-Prozeduren und jüngerer Patientinnen und Patienten mit Transkatheterklappe gewinnt auch die Komplikation einer Endokarditis an Relevanz. Deren durchschnittliche Inzidenz liegt Beobachtungsstudien zufolge bei 1,6 % pro Patientenjahr. Das klingt nach wenigen Fällen, doch berücksichtigt man die Gesamtzahl der Eingriffe, sieht die Lage etwas anders aus. 

Hierzulande wurden 2022 ungefähr 24.000 Transkatheterklappen implantiert. Im weiteren Verlauf entspricht das 360 infektiösen Endokarditiden pro Jahr (berechnet mit einer Inzidenz von 1,5 %). „Wir setzen unseren Patienten in dem Moment, in dem wir ihm einer TAVI-Prozedur unterziehen, diesem Risiko aus, das er für den Rest seines Lebens behalten wird“, betonte Prof. Dr. Norman Mangner­ vom Herzzentrum der Universitätsklinik Dresden.

Etwa drei Viertel der Endokarditiden treten früh – also im ersten Jahr nach der Implantation – auf. Insgesamt scheint die Häufigkeit dieser frühen Komplikation zurückzugehen. Das ergab der Vergleich einer historischen TAVI-Kohorte mit einer aktuelleren (4,89 % vs. 2,29 % pro 1.000 Betroffene). Die Gesamt­inzidenz blieb jedoch auf einem hohen Niveau, so der Kollege.

Der Klappentyp spielt als Risikofaktor keine Rolle

Bei den Risikofaktoren unterscheidet man personenbezogene von prozeduralen. Zu ersteren zählen jüngeres Alter, höherer Euro- bzw. STS**-Score, Komorbiditäten wie COPD, Niereninsuffizienz und PAVK sowie männliches Geschlecht. Den Faktor „Patientenalter“ führt Prof. Mangner auf einen Selektionsbias zurück. Gerade in früheren Kohorten waren jüngere Teilnehmende typischerweise kränker und landeten aus diesem Grund in der ­TAVI-Schiene. Periprozedural spielt der Klappentyp entgegen älterer Daten keine Rolle. Valve-in-Valve-Eingriffe und vor allem das Vorliegen einer relevanten paravalvulären Insuffizienz (≥ moderat) begünstigen eine Herzinnenhaut­entzündung.

Mikrobiologisch zeigt sich das klassische Profil älterer Patientinnen und Patienten, erklärte Prof. Mangner. Es dominieren Enterokokken (24,6 %), Staph. aureus (23,3 %) und koagulase-negative Staphylokokken (16,8 %). Viridans-Streptokokken kommen bei frühen Endokarditiden seltener vor (6,9 %), holen bei der späten Form jedoch auf, was die Prävalenz angeht.

Oft endet eine infektiöse Endokarditis nach TAVI tödlich: Die Mortalität steigt um den Faktor 6,5 an. Enterokokken als Verursacher scheinen zwar mit einer niedrigeren Einjahres­sterblichkeit verbunden zu sein als Staphylokokken (50,9 % vs. 69,6 %). „Nichtsdestotrotz ist das natürlich eine dramatisch schlechte Prognose – egal mit welchem Erreger“, mahnte der Referent.

Die Keime können viele Strukturen am Endokard befallen, vom Klappensegel bis hin zur Schrittmachersonde, kombiniert oder einzeln (s. Kasten). Ungefähr in 70 % der Fälle lässt sich in der Echokardiografie eine Vegetation nachweisen. Wie aber verfährt man bei den 30 %, bei denen sich im Echo nichts findet? Laut einer Studie, in der alle Teilnehmenden eine kontinuierliche Bakteriämie aufwiesen, ändert die negative Bildgebung nichts an der Prognose. „Das heißt, die Echokardiografie alleine sollte nicht dazu dienen, eine Endokarditis ausschließen zu wollen“, sagte Prof. Mangner. Man brauche einen multimodalen Ansatz, der Bildgebung, Mikrobiologie und Klinik beinhaltet.

Häufige Echobefunde bei Endokarditiden nach TAVI

  • Vegetationen (67,6 %) an Klappensegeln (47,9 %), TAVI-Stent (18,2 %), Mitralklappe (24,8 %), Schrittmacherelektrode (4,8 %) und/oder Triskuspidalklappe (4,8 %)
  • periannuläre Komplikationen (18 %)
  • neue Aorteninsuffizienz (9,8 %)
  • neue Mitralinsuffizienz(13,9 %)

In Bezug auf die Therapie haben ungefähr 80 % der Betroffenen formal eine OP-Indikation. Im klinischen Alltag landet allerdings nur etwa jeder Fünfte in der Chirurgie. Meist spricht das individuell erhöhte perioperative Risiko dagegen. Die alleinige Antibiotikagabe als Alternative muss aber nicht zwangsläufig mit einem schlechteren Outcome einhergehen. Das belegt eine von Prof. Mangner durchgeführte Studie, in der dieser Ansatz mit der Herzchirurgie (plus Antibiotika) verglichen wurde. Sowohl Krankenhaus- als auch Einjahresmortalität unterschieden sich nicht zwischen den Gruppen, unabhängig davon, ob die Klappenprothese betroffen war. „Ich möchte damit nicht sagen, dass Patienten mit TAVI-Endokarditis nicht operiert werden sollten, aber es zeigt die Notwendigkeit, dort im Heart Team zu arbeiten“, fasste der Kollege zusammen.

Ratschläge beherzigen und einer Endokarditis vorbeugen 

Auch weil sich Diagnostik und Therapie recht schwierig gestalten, kommt der Prävention eine erhebliche Bedeutung zu. Prof. Mangner hatte einige Vorschläge, um Endokarditiden vorzubeugen:

  • Komplikationen bei der Klappenimplantation vermeiden und den Krankenhausaufenthalt so kurz wie möglich halten
  • Antibiotikaprophylaxe diskutieren
  • Patientenedukation
  • strengere Indikationsstellung für künftige invasive Prozeduren
  • Monitoring bei hohem Risiko (z. B. Dialyse, PAVK, residueller Aorteninsuffizienz)

* Transcatheter aortic valve implantation
** The Society of Thoracic Surgeons

Kongressbericht: DGK Herztage 2024