Skorbut Vom mäkeligen Kleinkind zum schwerkranken Jungen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Der Skorbut ist selten geworden und wird wegen der vielfältigen Symptome oft erst spät erkannt. Nicht selten kommt es auch zu Fehldiagnosen wie Autoimmunerkrankungen, Infektionen oder Malignomen. Der Skorbut ist selten geworden und wird wegen der vielfältigen Symptome oft erst spät erkannt. Nicht selten kommt es auch zu Fehldiagnosen wie Autoimmunerkrankungen, Infektionen oder Malignomen. © Siniehina – stock.adobe.com

Obst und Gemüse waren seit jeher nicht sein Ding und irgendwann ernährte sich ein 14-Jähriger ausschließlich von Pudding. Das blieb nicht ohne Folgen. Was die Ärzte diagnostizierten, bekommt man heutzutage nur noch selten zu Gesicht.

Wegen zunehmender Beinschmerzen und einem merkwürdigen Gang wurde ein 14-jähriger Junge von seinem Hausarzt stationär eingewiesen. Bei den Laborwerten war u.a. eine normozytämische Anämie aufgefallen und der Junge hatte seit Wochen eine schwere Gingivitis mit Zahnfleischbluten. Wie sich herausstellte, aß er seit mindestens einem Vierteljahr fast ausschließlich Schokolade-Vanille-Pudding. Schon ab dem dritten Lebensjahr hatte er rohes Obst und Gemüse komplett abgelehnt und gekocht nur ausnahmsweise zu sich genommen (z.B. als Pizzabelag), berichten Dr. Sarah Krauter vom GLKN Hegau-Bodensee-Klinikum Singen und Kollegen.

Der Patient war mit einem BMI von 14,4 kg/m2 kachektisch. Er wies multiple Hämatome an den Knien sowie einen beidseitigen Spitzfußgang und einen Wadendruckschmerz auf. Die Knie konnte er nicht vollständig durchstrecken, die Füße nur eingeschränkt heben. Die Labordiagnostik ergab einen deutlich erniedrigten Vitamin-C-Spiegel < 0,05 mg/dl bei einem Referenzbereich > 0,8 mg/dl. Der Folsäurewert betrug 0,81 ng/ml (Normwert > 2,5 ng/ml), das Homozystein > 65 µmol/l (Normwert < 13,9 µmol/l) und das Hämoglobin 10,4 g/dl. Somit stand die Diagnose fest: Der Teenager hatte einen schweren Skorbut, ausgelöst durch eine restriktive Essstörung (ARFID*).

Kostaufbau begann parenteral und vorsichtig

Aufgrund der malnutritionsbedingten Kachexie musste zunächst parenteral ernährt werden. Um ein Refeeding-Syndrom zu vermeiden, erfolgte der Kostaufbau niedrigkalorisch und langsam. Zusätzlich erhielt der Junge oral verschiedene Lebensmittel, was sich wegen seiner ablehnenden Haltung allem Essen außer Schokopudding gegenüber schwierig gestaltete. Unter einer hoch dosierten i.v.-Substitution von Vitamin C (5,3 mg/kgKG/d) über eine Woche plus der Gabe eines Multivitaminpräparats bildeten sich die Symptome fast vollständig zurück.

Danach begann man mit einer multidisziplinären mehrwöchigen Therapie der Essstörung, um den Patienten schrittweise an eine ausgewogene Ernährung heranzuführen. Er lernte, mit seiner starken Abneigung gegen diverse Speisen umzugehen und benötigte keine Nahrungsergänzungsmittel mehr.

Der Skorbut ist selten geworden und wird wegen der vielfältigen Symptome oft erst spät erkannt, schreiben die pädiatrischen Kollegen. Nicht selten kommt es auch zu Fehldiagnosen wie Autoimmunerkrankungen, Infektionen oder Malignomen. Besonders gefährdet sind Kinder mit geistiger oder körperlicher Behinderung bzw. Autismus. Eine frühe Diagnose kann schwere, eventuell sogar tödliche Komplikationen verhindern.

* avoidant restrictive food intake disorder

Quelle: Krauter S et al. Monatsschr Kinderheilkd 2023; 171: 861-865; DOI: 10.1007/s00112-022-01569-7