Harninkontinenz bei Kindern Wenn’s immer wieder in die Hose geht
Bei der Harninkontinenz im Kindesalter werden zwei Formen unterschieden: Der kontinuierlich auftretende Urinverlust wird fast immer somatisch ausgelöst und sollte deshalb sorgfältig abgeklärt werden (Fehlbildung, neurogene Blasendysfunktion etc.). Ein intermittierendes Einnässen während des Tages ist dagegen meist funktionell bedingt. Wenn das Kind im Schlaf Harn lässt, spricht man von einer Enuresis – unabhängig von Pathogenese und Tageszeit (auch während der Mittagsruhe).
Hin und wieder ist im Vorschulalter normal
Beide Formen der intermittierenden Harninkontinenz gelten bis zum vollendeten fünften Lebensjahr als physiologisch – sofern eine körperliche Ursache ausgeschlossen ist. Auch jenseits dieser Altersgrenze besteht ein Störungswert erst, wenn das Symptom innerhalb eines Vierteljahres mindestens einmal monatlich auftritt, heißt es in der Leitlinie von DGKJP und DGKJ*. Dann spricht man entweder von einer funktionellen Harninkontinenz am Tag oder einer Enuresis (siehe Kasten).
Funktionelle Harninkontinenz
- häufig: überaktive Blase, Miktionsaufschub, Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination
- selten: unteraktive Blase, Belastungsinkontinenz, Lachinkontinenz, erhöhte diurnale Miktionsfrequenz
Vier Formen der Enuresis
- primär monosymptomatisch (MEN): Einnässen nur im Schlaf, nie länger als sechs Monate trocken
- primär nicht-monosymptomatisch (NMEN): zusätzlich Symptome einer Blasendysfunktion
- sekundär monosymptomatisch: nur Enuresis, aber schon einmal länger als sechs Monate trocken
- sekundär nicht-monosymptomatisch: zusätzlich Blasendysfunktion, vor dem Rückfall mindestens sechs Monate kontinent
- hyperaktive Blase,
- Harninkontinenz mit Miktionsaufschub und
- Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination.
Protokolle zu Miktion und Darmentleerung
An erster Stelle steht eine sorgfältige Anamnese, die durch Fragebögen erleichtert werden kann. Sinnvoll ist ein Screening auf Symptome, psychische Veränderungen und stattgehabte Therapieversuche. Mit einem Blasentagebuch lassen sich Miktions- und Trinkmengen erfassen. Außerdem empfiehlt die Leitlinie ein 14-Tage-Protokoll (Strichliste), in dem neben den Harninkontinenzepisoden Darmentleerungen, Stuhlschmieren und Einkoten dokumentiert werden. Zur Urindiagnostik genügt meist ein Streifentest. Bei der körperlichen Untersuchung sollte neben der Inspektion von Anus und Genitale (Phimose, Vulvitis, Labiensynechie etc.) besonders auf Hautveränderungen im Bereich von Lendenwirbelsäule und Os sacrum (Spina bifida occulta etc.) geachtet werden. Die Sonographie von Nieren und ableitenden Harnwegen ermöglicht den Ausschluss organischer Veränderungen und eine Bestimmung von Blasenvolumen und Rektumweite. Bei Inkontinenz am Tag oder Enuresis mit zusätzlichen diurnalen Symptomen wird eine Restharnbestimmung angeraten. Eine verdickte Blasenwand kann als Folge einer Zystitis oder neurogenen Entleerungsstörung auftreten, aber auch auf eine funktionelle Dysfunktion hinweisen (z.B. Miktionsaufschub, Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie). Bei Jungen muss man zudem mit einem subvesikalen Hindernis rechnen (Harnröhrenklappen bzw. -stenose). Wenn die Basisdiagnostik Hinweise auf eine organische Genese ergibt, sollte das Kind zur weiteren Abklärung in eine spezialisierte Einrichtung überwiesen werden. Liegt eine monosymptomatische Enuresis vor, ist keine Zusatzdiagnostik erforderlich. Junge Patienten mit Inkontinenz am Tag und zusätzlicher Enuresis sollten bei wiederholt nachweisbarer Restharnbildung oder anderen Veränderungen genauer abgeklärt werden.* Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie und Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
Quelle: S2k-Leitlinie „Enuresis und nicht-organische (funktionelle) Harninkontinenz bei Kindern und Jugendlichen“, AWMF-Register-Nr. 028-026, www.awmf.org