Stress-Dranginkontinenz: Verhaltenstherapie und Beckenbodentraining ohne Zusatznutzen

Autor: Dr. Barbara Kreutzkamp

Früher oder später ist bei der Stress-Dranginkontinenz eine OP unumgänglich. Früher oder später ist bei der Stress-Dranginkontinenz eine OP unumgänglich. © gballgiggs – stock.adobe.com

Die Stress-Dranginkontinenz bei Frauen lässt sich mit einer midurethralen Schlingenoperation lindern. Die zusätzliche Verhaltenstherapie plus Beckenbodentraining kann man sich wohl sparen. Der Effekt auf die Gesamtsymptomatik ist klinisch nicht relevant.

Bis zu 50 % der Frauen mit Blasenschwäche haben eine gemischte Stress-Dranginkontinenz. Die kombinierte Behandlung der beiden Einzelkomponenten ist nicht ganz einfach und umfasst in erster Linie Verhaltenstherapie und Beckenbodentraining, gefolgt von blasenentspannenden Medikamenten. Meist muss aber doch irgendwann der Chirurg ran.

Die Datenlage zur Wirksamkeit der operativen Therapie der gemischten Blasenschwäche bleibt uneindeutig. So verbessert die mid­urethrale Harnröhrenschlingen-OP zwar klar die Stresskomponente, Studien zufolge könnte der Eingriff aber gleichzeitig die Dranginkontinenz etwas verschlechtern. Wissenschaftler überprüften die Eignung von Operation und kombinierter Therapie in der ESTEEM-Studie.

Als primären Endpunkt wählten sie den Urogenital Distress Inventory, ein patientenberichteter Fragebogen, der die komplexe Gesamtsituation mit den Bereichen Irritation, Stressinkontinenz und obstruktive Symptome erfasst. Bei schwersten Verläufen kann sich so ein Maximalwert von 300 Punkten ergeben.

Einbezogen in die Studie waren 416 Frauen mit einer gemischten Harninkontinenz, die sich entweder einer Schlingen-Operation alleine oder der Operation plus Verhaltenstherapie und Beckenbodentraining unterzogen hatten. Die Zusatztherapie wurde mit einer präoperativen und fünf postoperativen Sitzungen über sechs Monate angesetzt.

Kombi hat größeren Einfluss auf die Lebensqualität

Zwölf Monate nach der Intervention ging die Gesamtsymptomatik in der Kombigruppe von durchschnittlich 178,0 Punkten auf 30,7 Punkte zurück. Im gleichen Zeitraum sank der Wert in der Schlingenchirurgie-Gruppe von 176,8 auf 34,5 Punkte. Zwar unterschieden sich beide Gruppen bezüglich des Rückgangs um 13,4 Punkte (–128,1 Punkte vs. –114,7 Punkte) leicht, die festgelegte Minimaldifferenz von 35 Punkten für ein klinisch relevantes Ergebnis wurde allerdings nicht erreicht.

Bezüglich der Lebensqualität und der Auswertung der Patiententagebücher schnitt die Kombi-Therapie besser ab. Eine Verschlechterung der Dranginkontinenz wurde bei weniger als 5 % der Frauen be­obachtet.

Quelle: Sung VW et al. JAMA 2019; 322: 1066-1076; DOI: 10.1001/jama.2019.12467