Schadstoffe Wie Insektizide und Chemikalien Diabetes begünstigen
„Nach wie vor sind Luftschadstoffe ein wichtiger Umweltfaktor, dem man sich kaum entziehen kann“, sagte Dr. Kathrin Wolf, Statistikerin am Helmholtz Zentrum München. Luftverschmutzung stehe weltweit an vierter Stelle der Risikofaktoren für Mortalität. Zwar sei die Belastung der Luft in Europa zuletzt deutlich gesunken. Grund zum Jubeln gebe es deshalb aber nicht.
Neueren Studien zufolge ergeben sich auch unterhalb der derzeit geltenden Grenzwerte negative Effekte für die Gesundheit, wie Forschende beispielsweise in neuen Teilauswertungen der KORA-Studie erkannten. Als besorgniserregend konstatierte die Referentin, dass schädliche ultrafeine Partikel und Ruß überhaupt nicht per Verordnungen reguliert werden.
Eine Bedrohung durch die gefährlichen Stoffe besteht insbesondere im intrauterinen Milieu, in dem beispielsweise die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes mitbestimmt wird. Leider lässt die Erforschung der multigenerationalen Vererbbarkeit derzeit noch zu wenige Aussagen zu dieser Problematik zu, so Dr. Wolf weiter. Zudem seien Gefahrenstoffe in epidemiologischen Untersuchungen schwer von anderen Prozessen zu trennen.
So wirken Schadstoffe im menschlichen Körper
PCB-138 und PCB-153 korrelierten mit der Inzidenz
„Prospektive, populationsbasierte Studien zu persistenten organischen Schadstoffen (POP) und Typ-2-Diabtes sind rar und die Ergebnisse für einzelne POP heterogen“, bemängelte auch Professor Dr. Wolfgang Rathmann, Deutsches Diabetes-Zentrum Düsseldorf. Erste Daten zu den organischen Schadstoffen und der Inzidenz von Diabetes Typ 2 wurden 2019 publiziert. Anhand von Daten aus den Kohorten der KORA- und der CARLA-Studie hatten die Initiatoren insgesamt 132 Typ-2-Diabetes-Inzidenzfälle im Vergleich zu 264 Kontrollen hinsichtlich der Zusammenhänge zu drei polychlorierten Biphenylen (PCB) sowie drei Pestiziden geprüft. Dabei waren sowohl PCB-138 als auch PCB-153 jeweils positiv mit der Inzidenz assoziiert, wobei Frauen und nicht übergewichtige Personen ein vergleichsweise höheres Erkrankungsrisiko aufwiesen. Aktuelle Daten aus KORA-FF4 gibt es zum Zusammenhang zwischen POP und neuropathischen Störungen bei älteren Personen mit oder ohne Diabetes bzw. Prädiabetes – allerdings mit sehr kleinen Fallzahlen. Für die untersuchten PCB (138, 153 und 180) sowie für Hexachlorbenzol (HCB), β-HCB und 4,4’-DDE konnte kein erhöhtes Risiko für Nervenschädigungen nachgewiesen werden. Aus früheren Studien mit Kohorten aus der Allgemeinbevölkerung lässt sich ebenfalls nur eine geringe Evidenz für bestehende Zusammenhänge ableiten. Hohe berufliche POP-Belastungen, wie sie unter anderem in der Landwirtschaft vorkommen, scheinen aber durchaus mit Nervenschäden in Verbindung zu stehen.Kausaler Zusammenhang nur nach wiederholter Messung
Zur Untersuchung dosisabhängiger POP-Effekte und den Auswirkungen einzelner Expositionsquellen wie Nahrungsmitteln, der Freisetzung bei Gebäudesanierungen oder Bodensedimenten sind größere prospektive Studien erforderlich, sagte Prof. Rathmann. Zudem benötige man aufgrund der Anreicherung der Schadstoffe im menschlichen Fettgewebe wiederholte POP-Messungen, um einen kausalen Zusammenhang mit der Typ-2-Diabetes-Inzidenz zu sichern. Dass ein solcher Zusammenhang bestünde, glaube er schon seit Längerem.Quelle: Diabetes Kongress 2021