Innenräume Wie sich die Staub- und Schadstoffbelastung reduzieren lässt
Mitteleuropäer verbringen bis zu 90 % ihrer Zeit in Innenräumen. Somit findet der größte Teil ihrer Exposition gegenüber Feinstäuben und chemischen Schadstoffen in den eigenen vier Wänden, am Arbeitsplatz, in öffentlichen Gebäuden oder im Auto statt, berichtet Dipl.-Ing. Armin Rebernig, Baubiologe und Messtechniker aus dem österreichischen Feldkirchen. Während es zur Feinstaubbelastung von Außenluft und den daraus resultierenden Gesundheitsrisiken zahlreiche Studien gibt, ist dies in Bezug auf Innenräume nicht der Fall. Das muss sich dringend ändern, mahnt der Autor.
Je kleiner die Teilchen, umso gefährlicher
Mit jedem Atemzug dringen Feinstaubpartikel in die Lunge ein. Je kleiner die Teilchen, desto weiter in die Peripherie können sie vordringen und zum Beispiel Entzündungsreaktionen auslösen. Diese begünstigen – abhängig von den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Stäube – chronische Lungenerkrankungen und erhöhen das Krebsrisiko. Ultrafeine Partikel ließen sich bei Ratten in Bindegewebe, Lymphknoten, Blutbahn und Endorganen (Leber, Herz, Gehirn) finden.
Die Feinstaubkonzentration in geschlossenen Räumen hängt meist stark von der Außenluft ab. Und die individuelle Exposition wird nicht zuletzt vom Atemzugvolumen bestimmt. Zudem dünsten Möbel, Raumtextilien und Baustoffe bis zu 5.000 verschiedene Chemikalien aus. Vor allem mittel- und schwerflüchtige Schadstoffe haften an Oberflächen, verbinden sich mit Hausstaubpartikeln und gelangen durch die Atmung in die Lunge.
Die gesundheitsschädigende Wirkung, die von belasteter Innenraumluft ausgeht, ist schwer einzuschätzen, erläutert der Autor. Zwar wisse man um das schädliche Potenzial einzelner Stoffe. In experimentellen und epidemiologischen Untersuchungen wurde aber bislang die Dauerbelastung durch geringe Konzentrationen nicht untersucht, ebensowenig die Gefahr, die von einem Schadstoffgemisch ausgeht. Weder die europäischen Behörden noch die WHO haben bis heute entsprechende Richtwerte herausgeben.
Kinder besonders gefährdet
Schlechte Luftqualität stellt für Kinder aus verschiedenen Gründen ein größeres Risiko dar als für Erwachsene. Zu diesen zählen unter anderem ein höheres Atemzeitvolumen und die geringere Körpergröße, die sie in engeren Kontakt mit abgelagerten Partikeln in Bodennähe bringt. Kleinkinder atmen pro Tag bis zu 0,2 g Hausstaub ein – doppelt so viel wie ein Erwachsener. Zudem scheinen sie Schadstoffe weniger gut ausscheiden zu können. Neuere Untersuchungen bringen intellektuelle Leistungsdefizite und eine allergische Disposition im späteren Leben mit der frühen Schadstoffexposition in Verbindung.
Bei Atemwegsbeschwerden eines Patienten lohnt es sich u.U., in Innenräumen die Partikelkonzentration der Luft und den Schadstoffgehalt des Hausstaubs zu messen. Werden potenzielle Verursacher eliminiert, können sich die Symptome deutlich bessern, so der Experte. Zu den Sanierungsmaßnahmen gehören:
- Feinreinigungen,
- erhöhte Lüftungsraten,
- kürzere Reinigungsintervalle und
- Materialuntersuchungen zur Bestimmung von potenziellen Schadstoffquellen.
Insbesondere die erste Maßnahme erwies sich bei hohen Feinstaub- und/oder Schadstoffkonzentrationen meist als sehr effektiv, so die Erfahrung des Autors. Sie lässt sich z.B. mithilfe von Geräten durchführen, die zur Reinigung der Luft einen Hyper-HEPA*-Filter enthalten. Wichtig ist es, gleichzeitig die Oberflächen zu reinigen, betont Rebernig. Denn viele Stäube hafteten auch an Wänden und Zimmerdecke. Lediglich Luftreinigungsgeräte aufzustellen, sei daher meist nicht ausreichend.
Gemeinsam kann es Ärzten und wissenschaftlich fundiert arbeitenden Baubiologen gelingen, Schadstoffquellen zu identifizieren. Das Ziel lautet, im Sinne eines präventiven und nachhaltigen Gesundheitsschutzes die Luftqualität in Innenräumen zu verbessern.
* high efficient particulate air
Quelle: Rebernig A. intern praxis 2023; 365-371