Ambulante Medizin muss gestärkt werden
Wir befinden uns wieder einmal vor einer Bundestagswahl. Und wie immer machen sich viele von uns Gedanken, wie es wohl mit der ambulanten Medizin weitergeht. Schließlich hat sie während der Pandemie eindeutig eine Katastrophe in den Krankenhäusern verhindert.
In den Wahlprogrammen aller demokratischen Parteien ist die Rede von einer neuen Sektorenordnung, also einer besser ambulant-stationär verzahnten Medizin. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Pläne entstanden sind, weil sich die ambulante Medizin gerade als unverzichtbar erwiesen hat oder weil jetzt gespart werden muss. So oder so: Wir müssen verhindern, dass wir nach dem 26. September 2021 wieder mit einem Kostendämpfungsgesetz konfrontiert werden.
Die Basis sollte jetzt eigene Vorschläge machen, wie die ambulante Medizin kostenneutral oder sogar kostensparend zu stärken ist – mit mehr und schnellerer ambulanter Diagnostik und Therapie, die teure Krankenhausaufenthalte verhindern. Es gibt sicher viele Beispiele, die man hier nennen könnte. Einige will ich nachfolgend aufzeigen:
- Infusionen in der Hausarztpraxis sind im EBM nicht vorgesehen, also wird ein älterer Patient, der jetzt im Sommer exsikkiert, mit der entsprechenden Symptomatik ins Krankenhaus eingewiesen. In der Regel wäre es dem Patienten nach 500 bis 1000 ml NaCl-Lösung, in der Praxis infundiert, wieder gut gegangen.
- Ein weiteres Thema sind Transport-/Taxischeine zur ambulanten Diagnostik oder Therapie. Ein häufiges Beispiel ist: Ein Patient stürzt im eigenen Haushalt. Es ist niemand greifbar, der ihn zum Röntgen fährt. Ein sog. Taxischein kann nicht ausgestellt werden, da kein Merkzeichen „aG“, „BI“, „H“, Pflegegrad 3 mit dauerhafter Mobilitätsbeeinträchtigung, Pflegegrad 4 oder 5 vorliegt. Theoretisch gibt es die Möglichkeit, die Genehmigung dieser Krankenbeförderung mit Taxi/Mietwagen bei der Krankenkasse zu beantragen, die das dann an den MDK weiterreicht. Solange bleibt der Patient zu Hause liegen?
- Viele, vor allem übergewichtige Patienten leiden unter Bluthochdruck und müssen Antihypertensiva einnehmen. Leider gelingt es damit nicht immer, den gefährlich hohen Blutdruck zu senken. Spätestens dann muss ein Schlafapnoesyndrom mit einer ambulanten Polygraphie ausgeschlossen werden. Wird damit eindeutig die Diagnose OSAS gestellt, muss der Patient ein bis zwei Nächte ins Schlaflabor, was noch einmal sehr viel mehr kostet als die Polygraphie. Er bekommt dann eine CPAP-Therapie, auf die er im Schlaflabor eingestellt wird, was auch ambulant mit der Polygraphie zu Hause im Bett des Patienten möglich wäre.
- Ein Patient kommt in die Sprechstunde wegen Unwohlsein, Inappetenz und ungewollter Gewichtsabnahme. Die körperliche Untersuchung zeigt zunächst keine oder nur geringgradige Auffälligkeiten – anders als das Labor im Blutbild. Jetzt muss schnell untersucht werden. Die zwei Nadelöhre sind oft Gastroskopie und Koloskopie. D.h. es würden viele Tage bis Wochen ins Land gehen, bis die Untersuchungsergebnisse vorlägen – was dem Patienten nicht zugemutet werden kann. Also weist man ihn ins Krankenhaus ein. Und nach einer Woche hat man alle Untersuchungsergebnisse auf dem Tisch und kann die weiteren Schritte einleiten.
Mit gutem Willen und guter Organisation könnte hier Abhilfe geschaffen werden, beispielsweise mit Notfallnetz-Praxen. Das muss natürlich auch von den Krankenkassen bezahlt werden, ist allerdings wesentlich billiger als ein stationärer Aufenthalt über mehrere Tage. - Verbessert wird die ambulante Medizin auch mit einem Notfalllabor in der eigenen Praxis. Hier können selbst zu Unzeiten Blutuntersuchungen bei Notfällen schnell durchgeführt werden. Diese wenigen Ausnahmeuntersuchungen müssen kostendeckend abrechenbar sein. Mit einem Wortbeitrag eines jungen, gerade niedergelassenen Kollegen zu diesem Thema möchte ich schließen: Die Medizin in der eigenen Praxis würde dann auch wieder mehr Spaß machen.