Apotheker als Medikationsdetektive: Probleme bei Senioren lösen
Von den 82,8 Mio. in Deutschland lebenden Menschen sind 13 Mio. älter als 70 Jahre. Viele davon sind Patienten, die einer Polymedikation bedürfen. Für die Apotheker sei das mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden, so Dr. Andreas Kiefer. Der Präsident der Bundesapothekerkammer zeigt sich deshalb zufrieden, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Apotheken plant. Dazu gehören zusätzlich honorierte Leistungen wie Medikationsanalyse, Arzneitherapiesicherheit (AMTS), Prävention oder das Erfassen definierter Gesundheitsparameter. Mögliches Honorar: 240 Mio. Euro.
Die Zeit der Modellprojekte ist vorüber
Die Apothekerschaft erarbeitet derzeit Kriterien, wie pharmazeutische Dienstleistungen qualitätsgesichert erbracht und angemessen bezahlt werden können. Modelle wie die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen ARMIN, ATHINA (mehrere Bundesländer) oder Apo-AMTS (Westfalen-Lippe) bezeichnet Dr. Kiefer als Goldstandard. Die Zeit der Modellprojekte sei jedoch vorbei. Statt in neue Modelle zu investieren, sollten die Erfahrungen in die Fläche getragen werden.
Die Fachärztin für Klinische Pharmakologie Professor Dr. Petra A. Thürmann, Universität Witten-Herdecke, nennt Fehler bei der Arzneimitteltherapie im Alter und deren Folgen. Nicht beachtet werden Arzneimittelinteraktionen, Medikamentenduplikationen, Verordnungskaskaden, Non-Adhärenz.
Mit AMTS-Teams Risiken erkennen und vermeiden
„Einer der gefährlichsten Momente ist der Gang ins Altersheim“, sagt sie. Hier würden plötzlich alle verordneten Medikamente konsequent verabreicht, also auch Medikamente, die der Senior zuvor vielleicht gar nicht mehr eingenommen hatte. Sie spricht sich deshalb für sog. AMTS-Teams in Altersheimen aus, in denen Apotheker und Pflegefachkraft kooperieren, Haus- und Fachärzte bei Problemen einbezogen werden. So ließen sich relevante Arzneimittelrisiken betagter Menschen mit Polypharmazie erkennen und reduzieren.
Professor Dr. Ulrich Jaehde, Leiter des Bereichs Klinische Pharmazie an der Universität Bonn und Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker, bezeichnet die Kontrolle durch die Apotheken „als letzte Möglichkeit einzugreifen und Dinge zu verbessern“. Er berichtet über eine Medikationsanalyse der AOK Rheinland/Hamburg, des Apothekerverbands Nordrhein und der Universität Bonn. Im Fokus stand die Arzneiverordnung bei 94 Heimbewohnern. Dabei wurden 1,6 arzneimittelbezogene Probleme pro Patient entdeckt. Das betraf z.B. Interaktionen und eine inadäquate Medikation oder Dosierung, Einnahmezeitpunkt bzw. die Therapiedauer waren ungeeignet. Eine weitere Medikationsanalyse in der Apotheke zeigt im Zwischenergebnis 6,6 arzneimittelbezogene Probleme pro Patient.
Es folgten diverse Maßnahmen bzw. Empfehlungen. Manche Lösungen sind „denkbar einfach“, sagte Prof. Jaehde. So sei einem Apotheker ein 74-jähriger Patient mit Tremor der linken Hand aufgefallen. Die Dosierung des Arztes für Levodopa lautete 1-1-1-0. Der Patient aber nahm das Medikament nur am Abend ein. Auch bei weiteren Verordnungen folgte er nicht immer der ärztlichen Vorgabe. Drei Monate später war der Tremor dank Medikationsanalyse und Gesprächen zwischen Apotheker, Arzt und Patient verschwunden. Eine kontinuierliche Symptombeob-achtung wurde vereinbart.
„Arzneimitteltherapiesicherheit ist eine große Baustelle“, sagt Prof. Jaehde, Mitglied der Koordinierungsgruppe Aktionsplan Arzneimitteltherapiesicherheit des Bundesministeriums für Gesundheit. Ohne Apotheker gäbe es keine AMTS.
Quelle: Bundesapothekerkammer – Symposium Sichere Arzneimittel für die Generation 70+