Beschleunigen AfD-Wähler die Coronaverbreitung? Zusammenhang wird untersucht

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

In Regionen, in denen die AfD hohe Wahlergebnisse erzielt (Karte), verbreitet sich das Virus derzeit besonders rasant. In Regionen, in denen die AfD hohe Wahlergebnisse erzielt (Karte), verbreitet sich das Virus derzeit besonders rasant. © wahlatlas.net (CC BY 3.0 DE); jaz – stock.adobe.com

Eine Erhebung zeigt: Viele Sympathisanten von AfD und FDP, aber auch Nichtwähler, halten die Coronakrise für eine Verschwörung. ­Soziologen prüfen bereits, ob die Parteipräferenz zur schnelleren Verbreitung des Virus beiträgt. Derweil werden Störungen des Impfbetriebs durch Demonstrierende befürchtet.

Politiker der AfD fallen wiederholt durch Aussagen auf, in denen sie SARS-CoV-2 verharmlosen oder leugnen. Sie knüpfen inhaltlich an die Querdenken-Bewegung an, deren Anhänger die Pandemie teilweise als Verschwörung zur Unterdrückung der Bevölkerung betrachten. Doch wer nicht an das Virus glaubt, der nimmt es wohl auch mit den Hygiene- und Distanzregeln nicht ganz so ernst. Und in Regionen, in denen die AfD hohe Wahlergebnisse erzielt, verbreitet sich das Virus derzeit tatsächlich besonders rasant, vor allem in Ostdeutschland. Ersichtlich wird dies etwa im Vergleich der Inzidenz-Karte des RKI und einer Karte der AfD-Ergebnisse bei der letzten Bundestagswahl. 

Dieses Phänomen verleitete Wissenschaftler zur These, das schnelle Infektionsgeschehen in einigen Regionen könnte unter anderem durch AfD-Sympathisanten verursacht werden, die die Distanzmaßnahmen missachten. Ob dem so ist, wird derzeit am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena untersucht. 

Dr. Matthias Quent, Direktor der Einrichtung sowie Soziologe und Rechtsextremismusforscher, hat bereits einen Befund veröffentlicht: Die Corona-Inzidenzwerte für Deutschland vom 4.12.2020 korrelieren deutlich mit den Wahlergebnissen der AfD bei der Bundestagswahl 2017. Zumindest der statistische Zusammenhang ist somit sicher: Wo die Partei hohe Zustimmung erreichte, verbreitete sich im untersuchten Zeitraum auch das Virus besonders schnell – und zwar sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland. Die einzigen Ausnahmen sind Bremen und Niedersachsen. „Wir waren von der Stärke des Effektes überrascht, mit so einem deutlichen Ergebnis hatten wir nicht gerechnet,“ twittert Dr. Quent. 

Der Experte betont, die Korrelation bedeute keineswegs, dass es auch einen kausalen Zusammenhang gebe: „Hohe AfD-Ergebnisse und hohe Inzidenzwerte könnten gleichzeitig existieren, ohne dass eins das andere beeinflusst.“ So seien unberücksichtigte Faktoren denkbar, die sowohl die Präferenz für die AfD als auch die hohen Inzidenzwerte erklären, beispielsweise infrastrukturelle Merkmale. Um von einer Kausalität sprechen zu können, müsse man den Effekt solcher Drittvariablen statistisch bestimmen. An diesem Schritt arbeitet sein Team derzeit. Mit einer Veröffentlichung der Studie rechnet Dr. Quent im Frühsommer. 

Bereits jetzt argumentieren Kritiker, man müsse die Nähe der ostdeutschen Bundesländer zu den Grenzen Tschechiens und Polens bedenken. Zudem verweisen sie darauf, dass die neuen Bundesländer nach Ausbruch der Pandemie lange weniger von Infektionen betroffen waren. 

Für den Ostbeauftragten der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), ist der Zusammenhang dagegen eindeutig: „Wer die Infektionsschutzmaßnahmen ablehnt, wie viele AfD-Anhänger, Reichsbürger und Esoteriker es tun, hilft am Ende bei der Ausbreitung des Virus,“ sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. In manchen Regionen der früheren DDR wachse eine Realitätsverweigerung wie im Jahr 2016 bei den Trump-Wählern in den USA. Viele schöben Komplexes und Unwillkommenes einfach beiseite, igelten sich ein und seien dann keinem Argument mehr zugänglich.

Mit diesen Äußerungen sorgte der Politiker für Empörung in der AfD. Er sei nicht länger als Ostbeauftragter tragbar, hieß es. Eine repräsentative Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung stützt seine Aussagen jedoch teilweise. Demnach halten 24 % der AfD-Wähler das Coronavirus für einen Vorwand, die Menschen zu unterdrücken. 41 % der AfD-Wähler gehen davon aus, dass dies „wahrscheinlich“ so ist. Bei den Wählern anderer Parteien liegt der Anteil der Personen mit einer solchen Überzeugung bei maximal 18 % (FDP), oft ist er erheblich geringer. 

Auch die „Leipziger Autoritarismus Studien“, vielbeachtete Untersuchungen zur Messung rechtsextremer Einstellungen in Deutschland, weisen in diese Richtung. Sie bestätigen für 2020, dass AfD-Anhänger empfänglicher für Verschwörungstheorien sind als Personen mit anderer Parteipräferenz. Auf Platz zwei und drei lagen Nichtwähler und FDP-Wähler. 

Angesichts der emotionalen Debatten rund um das Virus und die Immunisierung besteht die Befürchtung, Coronaleugner und -skeptiker könnten den Impfbetrieb stören. Die Bundesregierung sieht eine „abstrakte Gefahr“ von Protesten vor Impfzentren, Produktionsfirmen oder Vakzin-Lagerstätten. Es werde ebenfalls in Betracht gezogen, dass Personen dort eindringen, das Personal angreifen oder Dinge beschädigen könnten. Dies geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor. Die Sicherheitsbehörden des Bundes würden solche Entwicklungen aufmerksam beobachten und stünden dauerhaft in Austausch mit den Sicherheitsbehörden der Länder. Konkrete gefährdungsrelevante Erkenntnisse lägen aber nicht vor. 

Auch eine rechtsextreme Radikalisierung der „Anti-Corona-Demonstrationen“ schließt die Bundesregierung nicht aus. Schon seit Beginn der Coronakrise würden rechtsextreme Akteure aktiv versuchen, den im esoterischen oder verschwörungsideologischen Milieu bestehenden Unmut über die Maßnahmen zum Infektionsschutz und über Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens zu nutzen, heißt es. Es sei davon auszugehen, dass einige der Demonstrierenden diesen Radikalisierungsprozess nicht erkennen oder nicht wahrhaben wollen. Daher müssten Maßnahmen der politischen Bildung vermitteln, wo und wie Extremisten sich des Themas und der Proteste bemächtigen. 

Nützlich schienen die Demonstrationen etwa der AfD. So hält die den Grünen nahestehende Heinrich-Böll-Stiftung in einer Fallstudie fest, die baden-württembergische AfD-Fraktion habe ihre Rhetorik abrupt geändert als die Querdenken-Demonstrationen ein Gelegenheitsfenster boten. Man habe die Kommunikation verschwörungs­ideologisch zugespitzt, um gezielt neue Zielgruppen anzusprechen und die selbstzugeschriebene Rolle als Anti-Establishment-Partei zu festigen. Zuvor sei keine konspirative Argumentation der Fraktion zu erkennen gewesen. Vielmehr habe diese versucht, vermeintliche Mängel der Landesregierung im Pandemie-Management zu kritisieren.

Medical-Tribune-Bericht