Falschinformationen in der Pandemie – so reagieren Sie richtig auf Irrglauben und Coronamythen
Es gibt Leute, die beim Thema Coronapandemie einem per Haftbefehl gesuchten Fernsehkoch mehr Glauben schenken als einem Virologen. Oder sie vertrauen einem emeritierten Mikrobiologen, der mit dem „Goldenen Brett vorm Kopf“ für „den größten unwissenschaftlichen Unsinn des Jahres“ ausgezeichnet wurde. Warum das so ist und wie man gegensteuern kann, hat ein internationales Wissenschaftlerteam um Professor Dr. Stephan Lewandowsky von der Universität Bristol in einem Handbuch niedergeschrieben.1
Ein wichtiger Faktor: die Medienkompetenz. Man soll nicht davon ausgehen, dass die Leute von sich aus in den sozialen Medien geteilte Informationen kritisch betrachten, betonen die Autoren.
Querlesen statt Querdenken
- Informationen aus den sozialen Medien stets kritisch bewerten.
- Sind die Angaben plausibel?
- Aus welcher Quelle stammt die Information? Hat die Quelle eine Vorgeschichte? Handelt es sich um Fachwissen? Welche Motive werden dort verfolgt?
- Behauptungen überprüfen, z.B. durch Querlesen (= andere Webseiten nutzen, um die Glaubwürdigkeit der Quelle einschätzen zu können).
Leugner nutzen fünf rhetorische Techniken
Ärztliche Kommunikation mit ImpfgegnerInnen im Kontext der COVID-19-Pandemie
Quelle: Schmid P. Lehrvideo „Ärztliche Kommunikation mit ImpfgegnerInnen im Kontext der COVID-19-Pandemie“
YouTube/ Robert Koch-Institut
- Sie zitieren „Experten“, die gar keine sind.
- Sie wecken umögliche Erwartungen, z.B. „ein Impfstoff muss zu 100 % sicher sein“.
- Sie verbreiten Verschwörungstheorien.
- Sie wenden falsche Logik an. So wird z.B. jemand auf persönliche Weise als unglaubwürdig dargestellt, statt seine Argumente zu beurteilen.
- Sie picken sich die Rosinen raus. Es werden z.B. einzelne Studien herausgehoben, die den eigenen Standpunkt bekräftigen. Alle anderen ignorieren sie.
Unter manchem Aluhut steckt jemand mit Ängsten
Doch nicht jeder, der Fehlinformationen verbreitet, verfolgt damit eigene Interessen. Es gibt Menschen, die aus Prinzip gegen alles sind. Andere schließen sich einfach den Ansichten ihres sozialen Umfelds an. Und manche glauben an falsche Nachrichten, um nicht mit ihrer Angst konfrontiert zu werden. Wer z.B. große Angst vor Spritzen hat, kann die Konfrontation damit meiden, indem er behauptet, dass Impfungen mehr schaden als nutzen. Apropos mehr Schaden als Nutzen: Mythen zu korrigieren, kann unter Umständen kontraproduktiv wirken. Denn Menschen neigen dazu, Kontexte zu vergessen. Was von der Aussage „Der Impfstoff verändert die DNA nicht“ vielleicht in Erinnerung bleibt, sind die Worte „Impfstoff verändert DNA“. Dennoch sollte niemand aus Angst vor einem solchen „Backfire-Effekt“ darauf verzichten, einen Irrglauben zu widerlegen. Hierfür gibt es effektive und einfach anwendbare Methoden. Im Gespräch mit Patienten empfiehlt Dr. Schmid Ärzten das sog. Motivational Interviewing. Dabei kommt es darauf an, Empathie und Interesse zu zeigen, Gemeinsamkeiten hervorzuheben und an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten. Glaubwürdigkeit basiert unter anderem auf Fachkenntnis und Vertrauenswürdigkeit. Als Hausarzt bringen Sie beides schon mit. Zunächst einmal gilt es, die Wahrnehmung des Gegenübers einzuschätzen, indem Sie eine offene Frage stellen, z.B. „Wie stehen Sie zum Nutzen des Impfstoffs? Man hört ja viel von Nebenwirkungen“. Reflektieren Sie die Position und bestätigen Sie die Perspektive: „Das stimmt, es können Nebenwirkungen auftreten.“ Erst dann sollten Sie die Fakten auf den Tisch legen. Glaubt der Patient an einen Mythos, servieren Sie ihm am besten ein Fakten-Sandwich. Hierfür benötigen Sie eine eindeutige Erklärung, warum klar ist, dass die Behauptung nicht stimmt, und was stattdessen richtig ist.Das Fakten-Sandwich
- Coronaimpfstoffe sind für Frauen mit Kinderwunsch und Schwangere geeignet.
- Es kursiert die Falschbehauptung, die Immunisierung könne unfruchtbar machen, da das Spike-Protein von SARS-CoV-2 dem für die Bildung der Plazenta verantwortlichen Syncytin-1 ähnele.
- Dieser Mythos wird von Impfgegnern und Verharmlosern der COVID-19-Pandemie verbreitet. Das körpereigene und virale Protein unterscheiden sich aber wesentlich, sodass eine Kreuzreaktion höchst unwahrscheinlich ist. Außerdem müssten dann auch Frauen unfruchtbar sein, die bereits eine Infektion durchgemacht haben. Darauf gibt es jedoch keine Hinweise.
- Es besteht also kein Grund für Frauen mit Kinderwunsch und Schwangere, sich vor der Impfung zu fürchten.
Mehr dazu: Keine Belege, dass die Covid-19-Impfung unfruchtbar macht, correctiv.org
Richtigstellen kann auch bei Sturköpfen etwas bewirken
Quellen:
1. Lewandowsky S et al. The Debunking Handbook 2020; DOI: 10.17910/b7.1182
2. Schmid P. Lehrvideo „Ärztliche Kommunikation mit ImpfgegnerInnen im Kontext der COVID-19-Pandemie“, YouTube