Das weckt Erinnerungen an Gustl Mollath
Nach jahrelangem Intrigenkampf ist es Markus Söder endlich gelungen, Horst Seehofer nach Berlin wegzumobben und den Thron des bayerischen Ministerpräsidenten zu erklimmen. Der erste Schritt ist also getan, der zweite soll am 14. Oktober folgen. Die absolute CSU-Mehrheit im Freistaat ist das erklärte Ziel des ehrgeizigen Franken bei der dann anstehenden Landtagswahl. Um das zu erreichen, stellt er jetzt die Weichen. Auf ein neues, schärferes Polizeigesetz folgte nun der Entwurf für ein „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“, das allerdings Mediziner und Psychiater aufschreien lässt.
Nur vier Paragrafen über Hilfe für Kranke, aber 35 über ihre Unterbringung
Schon der Name des Gesetzes sei eine Täuschung, schreibt Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“. Zu Recht, denn der Entwurf enthält lediglich vier Paragrafen über „Hilfe“ für Kranke – aber 35 über ihre „Unterbringung“ zu Zwecken der Gefahrenabwehr. Die Fachwelt ist denn auch entsetzt. Als einzige positive Errungenschaft gilt der Aufbau eines flächendeckenden psychiatrischen Krisendienstes. Fast alle anderen Vorschriften orientieren sich am Strafrecht und am Maßregelvollzug für Straftäter.
Da werden Erinnerungen an den Fall Gustl Mollath wach. Das Landgericht Nürnberg hatte den Mann 2006 vom Vorwurf der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen, wies ihn aber nach Paragraf 63 Strafgesetzbuch in den Maßregelvollzug der forensischen Psychiatrie ein. Aufgrund stets fortgeschriebener Gefährlichkeitsgutachten wurde er dort bis 2013 festgehalten. Das Bundesverfassungsgericht hob schließlich alle Unterbringungsbeschlüsse auf. 2014 wurde dem heute 62-Jährigen eine Entschädigung zuerkannt.
Der Paragraf 63, der die Grundlage für die Unterbringung in der forensischen Psychiatrie bildet, wurde 2016 halbherzig reformiert. Die CSU-Regierung schränkt nun diese Mollath-Regeln nicht etwa weiter ein, sondern dehnt die strafrechtlichen Regeln aus: auf unbescholtene, aber kranke Menschen in Krisensituationen. Die neuen Vorschriften über Zwangsunterbringung in Krankenhäusern sind den Vorschriften für die Unterbringung im Strafrecht entnommen: Besuche werden stark eingeschränkt und kontrolliert, Telefonate überwacht, die Kranken durchsucht – dazu gehört beispielsweise auch die Kontrolle der intimen Körperöffnungen.
Dieser Gesetzesentwurf hilft psychisch Kranken nicht, sondern fördert vielmehr die Angst der Betroffenen vor der Psychiatrie und stempelt sie zu potenziellen Straftätern. Psychisch kranke Menschen sollte man nicht als Gefahr, sondern als Menschen sehen, die Hilfe brauchen. Mit diesen ordnungsrechtlichen Maßnahmen bis hin zu Möglichkeiten der Zwangseinweisung, aber ohne echte Hilfsprogramme, ist Kranken nicht gedient. Wie resümiert Prantl so treffend: „Ein Rechtsstaat sieht anders aus!“